: Was bleibt, sind fünf Mark
Laut Umweltministerium soll noch im Mai eine Altcomputer-Verordnung verhandelt werden. Bislang sind ausrangierte PCs die Sorgenkinder der Entsorger ■ Von Mirko Heinemann
„Wir nehmen unsere alten Geräte selbstverständlich zurück“, brüstet sich Janet Spacey-Rennings. „Allerdings“, so gibt die Sprecherin des Vobis-Konzerns zu bedenken, sei die Nachfrage der Kunden gering. Viele würden ihren Computer lieber als Zweitgerät, „als Reserve“ behalten oder Verwandten und Freunden schenken. Eine Werbeaktion in Köln, in deren Rahmen Altgeräte bei einem Neukauf in Zahlung genommen worden seien, sei in die Hose gegangen. „Da haben sich die Leute wohl überlegt, daß sie auf dem freien Markt einen höheren Wert erzielen“, meint Spacey- Rennings.
Im kleinen Vobis-Laden im Bezirk Prenzlauer Berg weiß man davon nichts. Den alten abgeben? Gar „recyceln“? Nein, das gebe es hier nicht. Aber wohin nun mit dem alten Computer? Nach langem Kopfkratzen meint die Mitarbeiterin: „Bringen Sie ihn doch zum Recyclinghof.“
Dies ist keine Ausnahme. Wenn der Hersteller sich dazu verpflichtet hat, den Computerschrott zurückzunehmen und weiterzuverwerten, dann macht er in der Regel möglichst wenig Wind darum. Über vier Millionen Geräte werden pro Jahr in Deutschland unter das Volk gebracht. Ein riesiger Wust an Elektronikschrott kommt da zusammen.
Die Politik drückt sich weiterhin um ein Gesetz herum, das die Aufbereitung von Elektrogeräten regeln soll. Diese sogenannte Elektronikschrott-Verordnung wurde bereits vom Vorgänger der Umweltministerin, Klaus Töpfer, angekündigt. Unter der Ägide von Angela Merkel ist sie jedoch keinen Schritt weitergekommen.
Nun plötzlich – es ist ja Wahlkampf – soll noch im Mai eine modifizierte Regelung, die sogenannte Altcomputer-Verordnung, verhandelt werden, erklärt der Pressesprecher des Umweltministeriums, Martin Waldhausen. Dann können alte PCs flächendeckend bei den städtischen Recyclinghöfen abgegeben werden. Den Schrott bekommen die Hersteller auf diesem Wege postwendend zurück.
„Wir hoffen, daß die Hersteller damit in Zukunft unschädlicheres Material für ihre Geräte verwenden“, sagt Waldhausen. Eine Verordnung für Waschmaschinen, Kühlschränke und Fernseher, so Waldhausen, werde wohl „in absehbarer Zeit“ folgen.
Doch der Weg zum „grünen PC“ ist noch weit. Wie auch anderer Elektronikschrott landet der PC oft im Haushaltsmüll. Dort kann er eine Menge Schaden anrichten, denn Inhaltsstoffe wie Schwermetalle, Flammschutzmittel und andere schädliche Stoffe zählen eigentlich zum Sondermüll. Experimente mit umweltfreundlichen Gehäusen versandeten. Es bestehe zur Zeit eben kein Anreiz für die Hersteller, aus dem geltenden Standard auszuscheren, glaubt Janet Spacey-Rennings.
Die Vobis-Sprecherin muß schmunzeln, wenn sie erzählt, daß einige Computermodelle aus ihrer Firma seinerzeit mit dem Umweltwarenzeichen, dem „Blauen Engel“, ausgezeichnet wurden. „Die Vorgaben waren, daß man in drei Jahren noch alle Ersatzteile für exakt diesen PC nachgeliefert bekommt“, erzählt sie. Aber diese Vorgabe sei erstens von der Industrie nicht einzuhalten, zweitens Quatsch. „Wenn Sie heute eine 2-Gigabyte-Festplatte in ihrem PC haben, können wir natürlich nicht garantieren, daß Sie die in drei Jahren noch bekommen. Dafür können Sie aber eine bessere, vielleicht eine 20-Gigabyte-Festplatte einbauen.“ Aber das zähle nun einmal nicht als Vergabekriterium.
Die Materie ist halt kompliziert. Genau deshalb ist der PC für die Umwelt eine besondere Gefährdung. Denn seine Lebenszeit ist deutlich kürzer als die von Fernsehern oder Hi-Fi-Geräten; die Entwicklung läuft einfach zu schnell. Nach kaum zwei Jahren ist der alte PC der modernen Software nicht mehr gewachsen; ständig gibt es Neuerungen im Bereich der Datenspeicherung. Und wer immer noch einen Nadeldrucker sein eigen nennt, träumt von einem geräuschlosen Laserdrucker, der Schriftstücke und Bilder möglichst fotorealistisch und in allen Farben produziert. Die Folge: Der Schrottberg wächst und wächst.
Dabei gibt es Ideen, wie man die Abfallflut eindämmen könnte. So arbeitet man an der TU Berlin an Systemen, die eine optimale Wiederverwertung von Elektrogeräten garantieren können (siehe Bericht Seite 37). Doch ohne politische Vorgaben haben solche Forschungen kaum Konsequenzen.
Bislang muß man den aussortierten Rechner eben zu einem Recyclinghof bringen. Dies ist noch nicht im gesamten Bundesgebiet möglich, aber bei der BSR in Berlin bereits gang und gäbe. Die Verschrottung eines Computers kostet hier pauschal 25 Mark. Wer über kein Auto verfügt, kann ihn auch abholen lassen – zum Aufpreis von 10 Mark. Die Geräte werden von einer Recyclingfirma in ihre Einzelteile zerlegt, geprüft, und bei Tauglichkeit wiederverwendet.
Allerdings bleibt von den alten Dingern in der Regel nicht viel übrig. Man muß schon in das Mikrouniversum eintauchen, um wirklich Verwertbares zutage zu bringen. So hat sich ein Jungunternehmer aus Bayern erfolgreich auf das Recyceln von Computerteilen spezialisiert. Er fand heraus, daß in jedem Rechner echtes Gold steckt – im Wert von immerhin rund fünf Mark.
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