Das Portrait
: Kolumbiens Stehaufmännchen

■ Andrés Pastrana

1994 stand Andrés Pastrana schon einmal knapp vor dem Wahlsieg. Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl spielte ihm die US- Drogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) die „Narco-Kassetten“ zu, die als erster Beleg für die Wahlkampffinanzierung seines liberalen Kontrahenten Ernesto Samper durch das Cali-Kartell gelten. Doch anstatt offensiv die Öffentlichkeit zu suchen, reichte Pastrana die Bänder an Präsident César Gaviria weiter. Eher kryptisch wirkte seine Aufforderung an Samper zwei Tage vor dem Wahlgang, sich im Falle seines Sieges ebenfalls zum Rücktritt zu verpflichten, wenn ihm die Annahme von Drogendollars nachgewiesen werde.

Als Pastrana nach seiner 49,2-Prozent-Niederlage der Presse die Aufnahmen vorspielte, galt er nur noch als schlechter Verlierer. Obgleich Samper in der Folgezeit mehr mit seiner Verteidigung als mit dem Regieren beschäftigt war und das Stigma des „Narco-Präsidenten“ nicht mehr loswurde, profitierte davon am allerwenigsten Pastrana, der sich in die USA absetzte. Erst vor zwei Monaten startete er ein spektakuläres Comeback. In den jüngsten Umfragen hat er den Samper-Kronprinzen, den rhetorisch versierten Ex- Innenminister Horacio Serpa, bereits überrundet.

Der smarte 43jährige hat eine konventionelle Politikerkarriere hinter sich: Sohn des erzkonservativen Präsidenten Misael Pastrana (1970-1974), machte er nach einem Jurastudium als mehrfach ausgezeichneter Journalist von sich reden. 1979 gründete er die Nachrichtensendung „TV HOY“, bis heute wichtigstes Medium des Pastrana-Clans. Kurz vor seiner Wahl zum Bürgermeister von Bogotá 1988 befand er sich eine Woche lang in der Gewalt von Entführern des Medellin-Kartells. 1991 zog er als Gründer der Gruppierung NFD (Neue Demokratische Kraft) in den Senat ein, wo er zielstrebig eine parteiübergreifende Allianz aufbaute.

Pastrana hofft am 31. Mai und drei Wochen später auf WechselwählerInnen, die einen Bruch mit der korrupten Samper-Herrschaft wünschen. Während Serpa immer noch eher zugetraut wird, ein Friedensabkommen mit der Guerilla zu erreichen, konzentriert sich Pastrana darauf, sein gutes Verhältnis zu den USA und den wirtschaftlichen Aufschwung zu beschwören. Gerhard Dilger