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Der jugoslawischen Föderation droht die Spaltung

■ Ein Mißtrauensantrag soll Jugoslawiens Ministerpräsident stürzen. Ziel der Aktion ist der montenegrinische Präsident Djukanović. Denn dessen Partei könnte bei den Wahlen gewinnen

Belgrad (taz) – Die Staatskrise in der Bundesrepublik Jugoslawien scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Gestern wurde gegen den jugoslawischen Ministerpräsidenten, den Montenegriner Radoje Kontić, im Bundesparlament ein Mißtrauensantrag gestellt. Die montenegrinische Regierung wird allerdings die neue, danach gewählte Bundesregierung nicht anerkennen. Die Zukunft Jugoslawiens sieht düster aus: Der Föderation von Serbien und Montenegro droht der Zerfall und der kleinen Teilrepublik an der Adria der Bürgerkrieg.

Die Initiative für den Mißtrauensantrag gegen die Regierung Kontić geht auf den aus Belgrad gesteuerten Ex-Präsidenten Montenegros, Momir Bulatović, zurück, weil, wie es offiziell heißt, „Kontić nicht imstande sei, die angehäuften wirtschaftlichen Probleme zu lösen“. Die überraschende Attacke auf den eher farblosen jugoslawischen Premier im Vorfeld der vorgezogenen Parlamentswahlen in Montenegro am 31. Mai wird in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica als Vorbereitung für die Einführung des Ausnahmezustandes in Montenegro gedeutet, falls der reformfreudige junge Präsident Milo Djukanović die Parlamentswahlen gewinnt. Haßtiraden, mit denen Belgrader regimenahe Medien gegen Djukanović hetzen, sollen das verhindern. Wenn Djukanović gewinnt, so nur durch Wahlbetrug, heißt es. Dies soll dann ein Eingreifen des jugoslawischen Bundesheers legitimieren.

Seit seiner knappen Niederlage gegen Djukanović bei den Präsidentenwahlen im Herbst hat Bulatović nicht aufgehört, die Autorität der Regierung zu untergraben. So hatte Bulatović seine Anhänger am 14. Januar zu Demonstrationen gegen den „Kriminellen Djukanović“ aufgerufen, Straßenschlachten in Podgorica und ein mißlungener Sturm auf das Regierungsgebäude waren die Folge.

„Der wahre Grund, warum Kontić abgelöst werden soll, ist, daß er sich im Januar weigerte, den Ausnahmezustand auszurufen und dem Bundesheer grünes Licht zu geben, um den gewählten Präsidenten Milo Djukanović gewaltsam zu entmachten“, erklärte am Wochenende der montenegrinische Parlamentspräsident, Svetozar Marović. Im Gespräch für den Posten des jugoslawischen Premiers seien sowohl Momir Bulatović selbst als auch seine rechte Hand, der amtierende Verteidigungsminister, Pavle Bulatović. Belgrad würde keine Mittel scheuen, um Djukanović und seine Regierung zu stürzen.

Tatsächlich wurde Kontić im Bundesparlament vorgeworfen, er habe sich im Streit zwischen Djukanović und Bulatović „neutral“ verhalten. Milo Djukanović stellt die gefährlichste Bedrohung für die Machtposition des jugoslawischen Bundespräsidenten, Slobodan Milošević, dar. Um seine Person sammeln sich nicht nur alle Reformkräfte in Montenegro, sondern auch in Serbien. „Milošević ist der Totengräber Jugoslawiens“, erklärte Djukanović unlängst. Sollte seine Koalition die Wahlen am 31. Mai gewinnen, kündigte Djukanović im jugoslawischen Bundesparlament einen direkten Angriff auf Milošević an.

Slobodan Milošević scheint zu glauben, daß er mit seinem vorläufigen Einlenken in der Kosovo- Frage nun das Recht hat, in Montenegro zu schalten und zu walten, wie es ihm für den Erhalt seines Regimes richtig erscheint. Regierungskreise in Podgorica befürchten, der Ausbruch des Krieges in Montenegro sei derzeit wahrscheinlicher als im Kosovo. Die Krise im Kosovo bedrohe die gesamte Region, und so würde die Nato doch rechtzeitig eingreifen. Auseinandersetzungen in Montenegro würden jedoch nur als regionaler Konflikt gewertet.

Die montenegrinische Zeitung Monitor orakelte bereits, Slobodan Milošević plane, auch den jugoslawischen Generalstabschef Momcilo Perisić abzulösen. General Perisić war ebenfalls gegen die Einführung des Ausnahmezustandes im Januar und wird in Montenegro als ein Garant des Friedens in Jugoslawien angesehen. Doch Milošević soll direkt mit der in Montenegro stehenden zweiten Armee kommunizieren, dessen Führung sich für Bulatović ausgesprochen hat. In allen 21 Gemeinden in Montenegro soll Bulatović mit Hilfe ihm gegenüber loyaler lokaler Machthaber die territoriale Verteidigung der Republik kontrollieren. Montenegro ist aussichtslos gespalten: Der Norden ist für Bulatović, der Süden für Djukanović. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Präsident Djukanović ist jedenfalls bereit, mit allen verfügbaren Mitteln die „Souveränität und Gleichberechtigung Montenegros innerhalb der jugoslawischen Föderation“ zu verteidigen. Andrej Ivanji

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