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Planet Janet

Viel Kostümzauber und Kulissenschieberei beim Janet-Jackson-Konzert in Berlin. Janet im Zauberwald verschwand zwischen zappelnden Blondinen  ■ Von Susanne Messmer

Der Vorhang geht auf, eine große Projektionsfläche öffnet sich wie ein Buch und zieht den Zuschauer in einen schwindelerregenden Sturz durchs All. Es geht vorbei an Sternenfeldern und bunten Spiralnebeln auf ein weißes Licht zu, aus dem schließlich mit einem Donnerschlag Janet tritt. Für kurze zwei Stunden wird sie dem Wunsch ihrer Fans entsprechen: „Take me to the planet where all girls look like Janet.“

Die Haare des Megastars sind straff nach hinten gekämmt, ihre Stirnfalte ist so tief, daß sie wie ein japanischer Schwertkämpfer wirkt. Ihr Gesicht ist hart und angestrengt und berichtet vom täglichen Training für diese Tournee. Workaholic, der sie ist, würde sie nicht die winzigste Kurzatmigkeit ihrer Stimme dulden. Es gilt, zwei Stunden lang wie ein Schwerstarbeiter über die Bühne zu toben und dabei stets so galaktisch auszusehen wie eine Prinzessin von einem anderen Stern, wie eine afrikanische Königin aus der Vergangenheit.

Nachdem sie durch mehrere Stücke gewirbelt ist, hält sie für einen Augenblick inne. Die Videoleinwand zeigt ihr Gesicht in Großaufnahme. Die Musik verebbt, die Menschen halten den Atem an. Sie sieht erschöpft aus, so schweißüberströmt, daß sie plötzlich ganz aus Gold zu sein scheint. Ihr Blick schweift sekundenlang unverwandt übers Publikum. Plötzlich verzieht sich ihr Gesicht zu einem funkelnden Lächeln. Das Publikum jubelt. Sie hat es im Griff.

Das Konzert im ausverkauften Velodrom ist mit erschlagendem technischen Aufwand ausstaffiert. Für die gewaltige Lightshow sitzen mehr als zehn Männer auf den Gerüsten über der Bühne. Fast nach jedem dritten Song fällt der Vorhang und ein Clown oder Trompeter vertreiben die wenige Zeit bis zum nächsten Set. Immer und immer wieder neue Kostüme, neue Kulissen. Für einen Block mit besonders fröhlichen Hits von ihrem Album „Rhythm Nation“ ist die Bühne voller Anspielungen auf die Commedia dell'arte und Alice im Wunderland. Janet im Zauberwald trägt einen riesigen, gestreiften Zylinder und einen knallbunten Faschingsanzug. Sie tanzt um aufgeblasene Figuren, einen lächelnden Halbmond und einen überdimensionalen Wecker. In einem anderen Set ist Madame im Herrenanzug und singt eines der beeindruckendsten Lieder des aktuellen Albums „The Velvet Rope“, in dem eine Frau den Heiratsantrag ihres Freundes zurückweist: „What about the times you hit my face? What about the times you kept on when I said: No more please.“ Ohnehin dazu gezwungen, die Feinheiten ihrer Bewegungen auf der Projektionsfläche zu verfolgen, läuft man spätestens jetzt in Gefahr, Miß Jackson zwischen ihren Tänzern, den Musikern, der Bühnendekoration und der gigantischen Technik aus den Augen zu verlieren. Anstatt sie selbst beobachten zu können, wird der Blick nun auf zwei Tanzpaare gelenkt, die in wirklich alberner Theatralik einen Streit mimen und wild mit den Armen fuchteln. Wo ist Janet?

Auf ihrem aktuellen Album hat Janet Jackson deutlicher als je zuvor gezeigt, wie subtil sie sich mit schwarzem Selbstbewußtsein und der Lust auf Befreiungsschläge auseinanderzusetzen vermag. Wenn sie in „Together Again“ an Aids gestorbene Freunde betrauert, rechnet sie nicht nur mit dem Marktwert zur Schau gestellter Emotionen. Ein anderer Song des Albums beruft sich auf James Brown: „Say it loud, I'm black and I'm proud.“ Mit einer Stimme, die an Diana Ross erinnert, setzt sie sich mit der Zeit auseinander, in der Schwarze endlich begannen, den Luxus nobler Superschlitten und plüschiger Diskotheken zu erobern. Das schönste Stück dieser Platte ist aber „Got till it's gone“, eine Huldigung an Joni Mitchell, ein lasziver, nostalgischer und zarter Song mit einfachen Wiederholungsstrukturen, die sich fest ins Ohr schrauben. Im dazugehörigen Video hat sich Jackson ins Südafrika der 70er Jahre begeben, in ein altes zum Nachtklub umfunktioniertes Badehaus, wo man den Alltag der Apartheid einfach wegtanzte. Hier tauchen dokumentarisch das erste schwarze Reportagemagazin Südafrikas auf und „Reference Certificates“, Ausweise für Schwarze, die man mit sich tragen mußte, wenn man nicht ins Gefängnis wandern wollte.

Wer gekommen ist, um im Konzert eine vergleichbar detailreiche und raffinierte Ästhetik geboten zu bekommen, muß enttäuscht gewesen sein. Oft hat die Show wenig Bezug zu der Stimmung in den Songs und ähnelt irgendeinem oft gesehenen, wenn auch aufwendig produzierten Musical. Janet Jackson ist in der Show zu wenig präsent. Anstatt putzige Blondinen zappeln zu lassen und nichtssagende Skylines von New York zu zeigen, wäre es wirkungsvoller gewesen, wenn sie zu Stücken, die von Gewalt und Kontrolle handeln, einfach gesungen und sich bewegt hätte. Ganz ohne Firlefanz. Denn schließlich ist das Besondere an ihr, daß sie nicht so unberührbar ist wie ihr Bruder Michael. Der Abstand, den sie zu ihren Fans aufbaut, ist ein anderer als der zwischen ihm und seinen Anhängern. Seine glauben, daß er sie braucht, daß sie sich bei ihm unterstellen können wie in einem unbewohnten Haus, das dadurch mit Leben gefüllt wird. Ihre fühlen sich ermuntert, im Regen zu tanzen. Was sie so entrückt erscheinen läßt, ist ihre unaufdringliche Heiterkeit. Sie ist kein Star, der penetrant nachwirkend den ganzen Raum durchdringt. Statt dessen füllt sie riesige Hallen mit dem Spaß ihres Publikums an ihr. Noch mehr Spaß hätte das Konzert gemacht, wenn nur sie allein auf der Bühne gewesen wäre. Sie hätte ihre Energie nicht an die Show verschenkt, sondern ans Publikum weitergeben können.

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