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Ein Minister – glücklos nicht nur beim Fußball

Finanzminister und VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder gerät in Baden-Württemberg erneut in die Kritik  ■ Aus Stuttgart Heide Platen

„MV“ ist eine Instanz in Baden- Württemberg. Lauthals und populistisch hatte Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) in den letzten Jahren zu Sparsamkeit und Leistung aufgerufen: „Wir haben weit über unsere Verhältnisse gelebt!“ Der Mann mit der graublonden Mähne, ein trinkfester Raucher mit kräftigem Wohlstandsgesicht und deftigem Wortschatz, ist, sagen Insider, „unberechenbar, ein Sprengsatz“, auch für die eigene Partei. Mit seiner neuesten Affäre handelte er sich eine auffällig mißmutige, distanzierte Rüge seines Landesvaters Erwin Teufel (CDU) ein. Der fand es Anfang Mai „nicht richtig“, daß Regierungsmitglieder Geld von Unternehmen kassieren, in deren Aufsichtsgremien sie sitzen.

5.000 Mark Honorar, hatte Mayer-Vorfelder zögerlich zugegeben, habe er im September 1996 von der landeseigenen L-Bank erhalten. Dort ist er zugleich als Vorsitzender des Verwaltungsrates und im Beirat als Oberkontrolleur über Ausgaben und Geschäftsgebahren tätig. Das Geld bekam er für einen Vortrag im noblen Schwarzwälder Schloßhotel Bühler Höhe, in dem er den L-Bank- Beiräten die Notwendigkeit einer grundlegenden Steuerreform erläuterte. Seither müssen sich die Politiker, die zum Beginn des Bundestagswahlkampfes durchs Ländle reisen, überall Spott und Häme gefallen lassen. Hin und wieder kommen da Gedanken auf, daß die Schmerzgrenze erreicht sei und Mayer-Vorfelder endlich zurücktreten solle.

Dies neueste MV-Skandälchen ist nur eines in einer langen Reihe. Es kam ans Licht, als die SPD im Landtag nach einem 20.000-Mark- Honorar fragte, das die L-Bank an Bundesaußenminister Kinkel gezahlt hatte. Der überwies das Geld inzwischen zurück auf ein Sperrkonto. Wirtschaftsminister Döring (FDP) gab zu, ebenfalls Parteispenden von Landesunternehmen geworben zu haben. Die SPD zahlte eine Spende an die Südwestdeutsche Verkehrs AG zurück. Auch der Einser-Jurist Mayer- Vorfelder gestand, zeigte aber keine Reue: Das Geld sei rechtmäßig gezahlt worden. Selbst Parteifreunde schüttelten den Kopf. Daß MV das Geld statt in die Parteikasse in die private Schatulle gesteckt hatte, wunderte sie nicht. Der Mann sei ein „Pfennigfuchser“. SPD und Grüne forderten den Rücktritt des Ministers mit der „Raffke-Mentalität“. MV zeigte widerwillig Einsicht und überwies das Geld als Spende an eine Klinik für krebskranke Kinder.

Der 65jährige Wertkonservative ist beliebt bei den Wählern rechtsaußen. Dem 1978 zurückgetretenen Ministerpräsidenten Hans Filbinger diente er als Staatssekretär und Minister. Unter Lothar Späth galt er als „graue Eminenz“, wurde erst Finanz-, dann 1990 Kultus- und Sportminister, wetterte gegen „übertriebene Demokratisierung“, stritt für Elite- und Zwergschulen und die „alten Tugenden“, schaffte aber durch Urlaubs- und Teilzeitregelungen auch neue Stellen für junge Lehrer. Schon 1990 hatte er Ärger wegen eines Honorars von der Sparkasse Karlsruhe, das er privat kassiert hatte. Vorwürfe der Vorteilsnahme nannte er damals „Blödsinn“.

Erwin Teufel holte MV zurück ins Finanzministerium. Der biedere Ministerpräsident hat seine Last mit dem Haudegen und Lebemann. Zur Reihe von Eklats um MV gehören eine Südostasien- Reise, Frankreich-Fahrten mit Daimler-Firmenwagen, die „Lotto-Affäre“, bei der der Landesrechnungshof der Lotto-Gesellschaft 1994 Verschwendung vorgeworfen hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Aufsichtsratschef MV ein. Dazu kamen Vorwürfe der Nachsicht gegenüber dem Steuersünder Peter Graf und zuletzt 1997 die „Stammtisch-Affäre“, die Deckung des Leiters seiner Steuerabteilung, der im Wirtshaus Interna ausgeplaudert hatte.

Der „große Zampano“ regiert auch außerhalb des Kabinetts. Seit 1975 ist er Präsident des VfB Stuttgart. Beim Spiel scheint ihn allerdings ebenfalls die Fortune zu verlassen. Das Europacup-Finale gegen den Londoner FC Chelsea ging am 13. Mai in Stockholm 0:1 verloren. Bittere Miene beim 65jährigen, der den Club nach Gutsherrenart leitet: „Mayer-Vorderlader“. Mit der Entlassung des von den Fans gefeierten, sensiblen Trainers „Jogi“ Löw verspielte er öffentliche Sympathien – und wurde vom „Macher“ zum „Bösewicht“. Schon im April hatte der Multifunktionär seinen Posten beim Fifa-Exekutivkomitee gegen einen Konkurrenten aus dem Zwergstaat Malta verloren. Nach der Niederlage von Stockholm kämpft MV nun auch gegen Volkes Stimme – schmerzlich für den Populisten.

Nachspiel der Honararaffäre: Ministerpräsident Teufel setzte seinen Kabinettsmitgliedern eine Beichtfrist über erhaltene Zahlungen bis zum 12. Mai, zwölf Uhr mittags: „Ich muß Klarheit in den ganzen Vorgang bringen, um vor Überraschungen sicher zu sein.“ Mit der Aufwandsentschädigung in den Aufsichtsgremien, so Teufel, sei seiner Meinung der Anspruch von Ministern für „alle Leistungen abgegolten“, auch wenn die Honorare rechtlich nicht zu beanstanden gewesen wären.

Seit Mitte Mai ist per Kabinettsbeschluß, quasi eine „Lex Mayer- Vorfelder“, die Annahme solcher Honorare grundsätzlich untersagt. Damit holzt Mayer-Vorfelder künftig ohne Deckung. Der ging noch einmal in die Offensive: Ausgerechnet sein Haus fordert nun die landeseigenen Firmen auf, künftig nicht mehr an Politiker oder Parteien zu zahlen.

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