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Ein High-Tech-Fan mit Faible für Großprojekte

■ Indonesiens neuer Staatschef, Suhartos langjähriger Freund Bacharuddin Jusuf Habibie, forciert seit Jahren die Entwicklung seines Landes von einem Agrarstaat zu einer führenden Industriemacht

Als Präsident Suharto Anfang des Jahres seinen künftigen Stellvertreter und möglichen Nachfolger vorstellte, schwankte die indonesische Öffentlichkeit zwischen blankem Erstaunen und hellem Entsetzen. Die Militärs erinnerten sich, daß Bacharuddin Jusuf Habibie (61) ihnen Anfang der neunziger Jahre viel Ärger bereitete, als er hinter ihrem Rücken 39 veraltete Kriegsschiffe aus Deutschland bestellte.

Wirtschaftswissenschaftler dachten daran, wie Habibie, der seit 1978 ununterbrochen als Forschungs- und Technologieminister in der Regierung Suharto gesessen hat, Milliardensummen in technische Großprojekte gesteckt hatte, um seine Vision eines schnellen Sprungs Indonesiens von einem armen Agrarland in einen Staat mit eigener Spitzentechnologie-Produktion zu finanzieren. Das Geld kam zum großen Teil aus dem Staatssäckel.

Außerdem fürchteten sie seine unkonventionellen ökonomischen Ideen. Dazu gehörte die sogenannte Zickzacktheorie: durch schnelles und unregelmäßiges Heben und Senken von Zinssätzen die Inflation zu überlisten. In Zeiten der Wirtschaftskrise sei ein Mann wie Habibie an der Spitze des 200-Millionen-Einwohner- Landes völlig fehl am Platz, urteilten Börsenmakler und Devisenhändler; die Landeswährung Rupiah verlor innerhalb weniger Stunden ein Viertel ihres Wertes.

Bürgerrechtler merkten an, daß Habibie seit seiner frühen Jugend eng mit Suharto verbunden ist und weder willig noch fähig war, seinen Mentor jemals zu kritisieren oder sich ihm sogar entgegenzustellen. „SGS“, „Supergenie Suharto“ nannte der Politiker seinen Chef bewundernd. Diese enge Beziehung war für beide Seiten ertragreich. Habibies Familie ist laut Asian Wall Street Journal an über 80 Firmen beteiligt, in mehreren Fällen gemeinsam mit Suharto oder dessen Kindern.

Nur die Ingenieure waren über die Wahl des 61jährigen Bacharuddin Jusuf Habibie zufrieden. Denn Habibie ist einer von ihnen: Er hat in Aachen Flugzeugbau studiert und dort auch promoviert. Später machte er in der deutschen Flugzeug- und Rüstungsfirma Messerschmitt Bölkow Blohm Karriere und blieb mit der deutschen Wirtschaft und der Regierung in Bonn eng verbunden. Er spricht nicht nur fließend Deutsch, sondern hat auch einen Wohnsitz in der norddeutschen Stadt Stade.

1974 rief ihn Suharto zurück: „Du kannst hier tun, was du willst, nur keinen Umsturz anzetteln“, soll der Präsident gesagt haben. Habibie folgte dem Ruf des Freundes und machte sich daran, als Technologieminister Indonesiens Flugzeugindustrie aufzubauen und das Land der 13.500 Inseln aus dem Kolonialzeitalter in die High- Tech-Ära zu katapultieren. Eine neue Politik erhoffen sich die meisten Indonesier von Habibie nicht. Als gestern bekannt wurde, daß „der Deutsche“, wie ihn viele spöttisch nennen, der neue Präsident Indonesiens ist, war die Enttäuschung groß. „Neuer Wein in alten Schläuchen“, hieß es in Jakarta.

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