: Die Waffenhändler wollen Ruhe
„Zu viele Freizeitgäste“, beschweren sich viele Aussteller bei der Internationalen Luftfahrtausstellung. Manche überlegen, Schönefeld den Rücken zu kehren ■ Von Hannes Koch
Der Händler der Firma Lockheed Martin ist von ausgesuchter Höflichkeit. Überkommt ihn nur das zarteste Hüsteln ob der trockenen Luft, hält er geziert die Hand vor den Mund und dreht den Kopf um 90 Grad zur Seite. Seine Gesprächspartner umgarnt der Mittvierziger im dunklen Anzug mit ausgesuchten Floskeln und gutgespieltem Interesse. Der sympathische Smalltalk dient vor allem einem Ziel: alte Kundenkontakte zu pflegen oder neue zu gewinnen, die das Militärflugzeug F-16 kaufen sollen – eine raketenbewehrte Kampfmaschine, die Tausende Leben auf Knopfdruck auslöscht.
Wenn jedoch Gedränge herrscht in der Ausstellungshalle der Internationalen Luftfahrtausstellung ILA, läßt die Freundlichkeit des US-amerikanischen Waffenhändlers nach. Da kommt schon wieder ein Trupp aus Mama, Papa und zwei Kindern! Gleich wird der Vater sich nach der Höchstgeschwindigkeit der F-16 erkundigen, nach ihrer Reichweite und Bewaffnung. Das ganze Bla- Bla. Nicht erst am Himmelfahrtstag, als 45.000 BesucherInnen nach Schönefeld strömten, sperrten Boeing und andere US-Konzerne ihre Stände mit roten Seilen ab. „Das normale Publikum stört“, so ein Boeing-Vertreter. Denn wer sich mit den privaten Flugzeugfans beschäftigten muß, hat weniger Zeit für Geschäftskontakte.
Bei den Konkurrenzveranstaltungen in Le Bourget bei Paris und auch im britischen Farnborough ist die Sache anders geregelt. Dort gibt es spezielle, den professionellen Besuchern vorbehaltende „Geschäftstage“. Werden sich die Firmen deshalb im Jahr 2000 gegen Schönefeld und für Farnborough entscheiden – zumal die britischen Organisatoren das Datum ihrer Messe bis auf wenige Wochen an die Berliner Ausstellung herangerückt haben?
„Wir werden nächstes Mal wahrscheinlich nur nach Farnborough gehen“, meint ein Repräsentant der Firma Rockwell Collins, eines Herstellers militärischer und ziviler Flugelektronik. Ihn „schreckt ab“, daß die ILA während ihrer gesamten Dauer vom Normalpublikum frequentiert werde. In Anbetracht der Kosten für die Messeteilnahme – im Falle Rockwells rund 250.000 Mark – lohnten sich zwei europäische Ausstellungen in einem Monat nicht. Außerdem träfe sich in Farnborough viel mehr internationales Militär – der Mittlere Osten, ein traditionell wichtiges Absatzgebiet, und Afrika seien in Berlin kaum vertreten. Auch die Kopfhörerfirma Bose schätzt zwar die guten Möglichkeiten, auf der ILA Kontakte nach Osteuropa anzubahnen. Doch angesichts des Freizeitcharakters der Veranstaltung und ihres geringeren internationalen Gewichts werde man sich 2000 wohl für England entscheiden.
„Die Diskussion ist uns bekannt“, sagt Messe-Sprecher Wolfgang Rogall. Aber eine Entscheidung über die temporäre Schutzzone für Waffenhändler sei noch nicht getroffen worden. Spezielle Händlertage einzuführen hieße nämlich, auf Einnahmen aus dem Kartenverkauf zu verzichten.
Bei den großen Firmen freilich sieht es derweil nicht danach aus, als ob sie sich Schönefeld das nächste Mal sparen wollten. Boeing- Mann Jack Fiskus rümpft zwar innerlich die Nase über den Publikumsansturm, weiß aber: „Die ILA ist mittlerweile eine der wichtigsten internationalen Flugmessen.“ Und Boeing nehme mit Flugzeugen, Geräten oder Ständen jährlich an „rund 400 Airshows“ teil – da komme es auf eine mehr oder weniger nicht an. Ähnlich argumentiert Lars Jansson vom Konzern Saab, der das schwedisch-britische Kampfflugzeug „Gripen“ anpreist: „Schönefeld ist wichtig, weil wir hier unsere Kunden aus Österreich und Ungarn treffen.“
Auch bei Lockheed Martin hat man vor allem die Militärs aus den jungen Staaten Osteuropas im Auge und ist sich sicher: „2000 kommen wir wieder her.“ Der sympathische Waffenhändler weiß das – und versucht, die Familie freundlich, aber kurz mit einem Packen Kataloge abzuspeisen.
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