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Innovationen in der bäuerlichen Puppenstube

■ Im Allgäu steigen die Bauern von industrieller Viehwirtschaft auf andere Produktionsweisen um

Kempten (taz) – Bei vielen Bauern geht die pure Angst um. Völlig abhängig von Brüsseler Agrarsubventionen, fristen sie ein mitunter fast unwürdiges Dasein. Besonders hart trifft es Landwirte in Regionen, in denen der Betrieb – gemessen am internationalen Markt – wie eine Art bäuerliche Puppenstube wirkt. Ein klassisches Beispiel ist das Allgäu, wo die meisten Bauern von der Milchwirtschaft leben.

8,4 Prozent Gewinnrückgang im Bundesdurchschnitt vergangenes Jahr sprechen schon eine deutliche Sprache. So manchen Allgäuer Kleinbetrieb traf es noch viel härter. Doch auch hier gibt es Bauern, die es mit ganz unterschiedlichen Konzepten geschafft haben, dem EU-Preisdumping zu entkommen. Ihre Ideen können sich am Markt bestens behaupten.

„Nur wenn ich was Besonderes mache, habe ich auch Chancen, mich von diesem Dumpingsumpf einigermaßen zu befreien“, sagt Adi Sprinkart. Der Nebenerwerbslandwirt hat vor vier Jahren auf Mutterkuhhaltung umgestellt und ist in die Direktvermarktung gegangen.

Auf seinem 13-Hektar-Hof hält er elf Mutterkühe. Ein Hof mit Intensivlandwirtschaft braucht hingegen heutzutage 50 oder mehr Hektar, um noch einigermaßen Profit zu erwirtschaften. Mutterkuhhaltung ist dagegen eine Form der Fleischerzeugung, bei der die Kälber von der Geburt bis zum Alter von etwa zehn Monaten bei der Kuh bleiben. Sie ernähren sich von der Muttermilch, von Heu und Gras. Das Fleisch sei viel zarter als üblich, schwärmt Sprinkart. „Wir haben inzwischen einen Markt mit einem regionalen Lebensmittelunternehmen aufgebaut, das unsere Produkte zu guten Preisen abnimmt.“

Ulrich Leiner und seine Frau bewirtschaften seit fast zehn Jahren eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 7,4 Hektar. „Wir haben 60 Milchziegen und als zweiten Betriebszweig die Veredelung, eine Käserei. Außerdem verkaufen wir auf Wochenmärkten.“ Trotz der kleinen Fläche ist der Betrieb ein Vollerwerbsbetrieb mit einer zusätzlichen Arbeitskraft. Am Anfang habe man sie für Spinner gehalten. „Inzwischen haben wir eine große Akzeptanz“, meint Leiner.

Etwas belächelt wurden sie alle, als sie begannen, den traditionellen Allgäuer Pfad der Milchwirtschaft so mir nichts, dir nichts zu verlassen, meint auch Bauer Peter Mangold. „Das ist vielen unverständlich, denn die Kuh ist wahrscheinlich im Allgäu heiliger als in Indien.“

Dabei hat gerade Mangold gemerkt, wie wichtig es ist, sich etwas einfallen zu lassen. Von seinen Eltern hatte er einen 18-Hektar-Hof übernommen, einen reinen Milchkuhbetrieb. Das hieß: Hängen am Subventionstropf und tägliches Warten auf den Milchwagen. Mangold ließ sich zunächst umschulen. Doch nach einem Jahr als Industriekaufmann kehrte bei ihm die Lust aufs Bauernleben zurück. Und so entschloß er sich zur Milchschafhaltung. „Das mache ich jetzt seit vier Jahren. Mittlerweile habe ich 50 Stück.“ Inzwischen hat er auch eine Käseküche, um Milch sachgerechter verarbeiten zu können. Für seine wachsende Herde baut er jetzt einen weiteren Stall.

Die Landwirte können auf eine zufriedene Kundschaft verweisen, die gerade den vollautomatisierten Bauern abhanden gekommen sei. „Da kommt der Milchwagen, holt die Milch ab, und dann ist das Geld auf dem Konto. Der Kontakt, das Lob, die Anerkennung, die man sonst in anderen Berufen auch hat, fehlen einfach.“

Daß allerdings diese Zufriedenheit hart erarbeitet werden muß, darauf weist die Bäuerin Barbara Ehlert hin. Auch sie hatte einen reinen Milchviehbetrieb. Inzwischen ist jedoch ein Großteil der fünfzehn Hektar als Weide verpachtet. Vier Hektar werden im biologischen Gemüseanbau bewirtschaftet. „Der Schritt weg von der Milcherzeugung, das Geld nicht mehr auf dem Konto zu haben ist schon schwer. Mit der Milchviehhaltung bist du schließlich fast so was wie beamtet.“ Es sei eine Herausforderung, die Vermarktung selbst in die Hand zu nehmen, sagt sie.

Adi Sprinkart, der nicht nur als Biobauer mit dieser Thematik befaßt ist, sondern auch als Landwirtschaftspolitiker für Bündnis 90/ Die Grünen im Bayerischen Landtag sitzt, glaubt, daß die Nischenproduktionen auch im Allgäu noch längst nicht ausgereizt sind. Handwerkliche Käseproduktion zum Beispiel habe gerade in einer Urlaubsregion recht gute Chancen, sich auf dem Markt zu etablieren. Weltmarktfähig sei von den Allgäuer Bauern schließlich nur ein kleiner Teil.

Die Zahl der Umsteiger ist im Allgäu deutlich angewachsen. Rund 400 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe aus der Region sind inzwischen auf biologische Produktion umgestiegen. Leichter wird dieser Schritt den Landwirten durch den regionalen Marktführer unter den Lebensmittelunternehmen gemacht, der zum Ausbau seiner Bioproduktpalette 500 Öko- Vertragsbauern sucht. Neben dem Biofleisch soll künftig auch Biogemüse und Bioobst aus einem Umkreis von maximal 100 Kilometern angeboten werden. Klaus Wittmann

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