: Es buchstabiert sich c-o-o-l
■ Souverän: Gang Starr und ihr Moment der Wahrheit. Suche ihn in der perfekten Balance zwischen Fingerschnippen und Arschwackeln
Länger als ein Jahr hatten sie sich im Studio eingeschlossen. Einige Monate bevor das Unternehmen abgeschlossen war, prophezeite das Fachmagazin Vibe, daß da wohl nichts weniger als ein Meisterwerk in der Mache sei. Und was blieb ihnen schon anderes übrig: Seit Gang Starr dem Jazz den roten Teppich in den HipHop ausgerollt hatten – ob auf ihren eigenen Platten oder als Jazzmatazz im Verbund mit handverlesenen Jazzmusikern –, war einiges passiert. Allein in diesem langen Jahr, dessen Resultat nun den nicht sonderlich bescheidenen Titel „Moment of Truth“ trägt, war der Angriff des Wu-Tang Clan auf die Weltherrschaft nur knapp gescheitert und der von Puff Daddy auf breiter Front gelungen. Als Guru und DJ Premier die Studiotür öffneten und ins grelle Licht eines neuen Tages in New York City blinzelten, war die Welt längst nicht mehr dieselbe.
Das besondere an Meisterwerken ist, daß ihnen so was herzlich egal ist. Souveränität ist das Wort. „Moment of Truth“ beginnt auch erst mal nicht mit Musik, sondern mit einer kleinen Rede. Man habe vor zwölf Jahren die richtige Idee gehabt, sie im Laufe der Jahre modernisiert und dabei den eigenen Stil immer wieder auf neue Niveaus gehoben, wird da verkündet im legeren Tonfall eines Basketballspielers, der noch im Handtuch in der Umkleidekabine die Fragen zum Spiel beantwortet. Der gute Mann mag schon etwas älter sein und es seit Jahren am Rücken haben, aber nach gewonnenem Spiel fragt man nicht nach Rücktritt. Mitgespielt haben neben anderen zwar auch Inspectah Deck (Wu- Tang) und Scarface (Geto Boys), aber wer das Spiel im Griff hat, das stand nie zur Debatte.
Gang Starr haben nie wirklich viele Platten verkauft, nicht einmal, als für diesen einen kurzen Moment der Zeitgeist aus ihrem Sampler floß. Andererseits hat Premier genug Tracks für Geldscheffler wie Nas oder Notorious B.I.G. produziert. Wir sind wie Kakerlaken, wir sterben niemals, wir leben immer weiter, heißt es irgendwo auf der Platte. Das kommt so ruhig und gleichzeitig bestimmt, wie der Reimstil von Guru es schon immer getan hat – kein Grund zur Aufregung. „They say it's lonely at the top, and whatever you do, you always gotta watch motherfuckers around you, nobody's invincible, no plan is fullproof, we all must meet our moment of truth“, rappt Guru im Titelsong – Wahrheiten mögen meistens recht langweilig sein, wahr bleiben sie trotzdem.
Darunter schuckeln die Beats von Premier, blasen nicht das Dach weg, aber messen genau den Abstand zwischen Fingerschnippen und Arschwackeln aus, der einem in einem gewissen Alter noch offen steht. Was diesmal fehlt, sind die kleinen fiesen Schabereien, die noch auf dem vier Jahre alten Vorgänger „Hard to Earn“ die schleppenden Beats begleiteten und die Grenzlinie zu den Charts zogen. Auf „Moment of Truth“ herrscht Wohlklang, der trotzdem nie in die Verlegenheit eines Ausverkaufs- Vorwurfs kommt. Man kann nicht beschreiben, wie sie es machen, den Feind mit den eigenen Waffen zu schlagen, man kann es nur hören.
Aber Meisterwerk? Jedes einzelne Sample strotzt vor Geschmackssicherheit, jeder Rap buchstabiert sich c-o-o-l, jeder einzelne Song hat seinen Moment, seine Idee, seinen Anspruch auf Ewigkeit. Sicherlich also schon Meisterwerk, aber irgendwie waren die Gang-Starr-Platten vor „Moment of Truth“ dann halt auch Meisterwerke. Sich auf die noch aktiven Klassiker, die zukünftigen Hall-of-Famer, zu besinnen ist sicherlich nicht unbedingt das Schlechteste für HipHop in diesen wilden Zeiten, in denen sich wird zeigen müssen, ob und wie die Umarmung des Mainstream zu überstehen ist. Thomas Winkler
Gang Starr: „Moment of Truth“ (Neo Trybe Records/ EMI)
Tournee mit Das EFX: 27.5. Stuttgart, 28.5. München, 29.5. Münster, 30.5. Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen