Roth bleibt Roth

Van Halen und Life Of Agony müssen ihre schier unersetzbaren Frontmänner ersetzen  ■ Von Oliver Rohlf

Einen Van Halen-Fan aus der Reserve zu locken bedarf es wenig. Erst locker über Hard Rock plaudern, so ganz allgemein und unverfänglich. Dann leger das Thema in Richtung USA und 80er Jahre lotsen und mit Bandnamen wie Aero-smith, Great White oder Docken glänzen. Der Fan läuft warm. „Wer waren die besten damals?“ „ Van Halen natürlich.“ Und ehe du die entscheidende Frage nach dem besten aller Van Halen-Sänger auch nur angedacht hast, öffnen sich die Schleusen wie von selbst: „David Lee Roth“, klingt es da wie im Gebet, „das war ein Sänger. Gegen den war Nachfolger Sammy Hagar ein kleines Mädchen.“

Diamond Dave, wie er liebevoll genannt wurde, war in den späten 70ern bis frühen 80ern so etwas wie die Marylin Monroe unter den Metal-Sirenen: blond, ultra-sexy und ein Leben wie eine einzige Performance. Ein Mann, für den Beischlaf und Brustbehaarung, Erotik und Egomanie eins waren. Und dazu das extrem sinnliche Gitarrenspiel von Eddie Van Halen. Das deutsche Metalmagazin Rock Hard bezeichnete Van Halen kürzlich als die Beach Boys des Metal. Das wird beiden Bands allein deshalb ungerecht, weil Van Halen immer vorgaben, mit dem Unterleib sogar zu denken!

Gespräche über Stadionbands wie Van Halen oder KISS mutieren so fast immer zu seltsamen Rock-Therapien, in denen jeder Strohhalm, der ans Gestern erinnert, ins Heute gerettet werden soll. Beides Rock-Monster, die im Zwischenreich von Kult und Katastrophe über lange Zeit sehr viel Geld verdienten, beide mit Urbesetzungen, deren Magie nur von denen verstanden werden kann, die damals dabei waren – so wollen es zumindest die Zeugen jener Zeit. Daß es zwischen Sexprotz David und dem sensiblen Eddie nach dem größten Van Halen-Hit „Jump“ 1986 für alle Zeiten unkittbar gekracht hat, haben manche Fans bis heute nicht verkraften wollen. Auch wenn sich nach dem stets ungelenken Sammy Hagar nun Ex-Extreme-Heuler Gray Cherone am Mikro verdingt, es wirkt wie ein selbstauferlegter Fluch: einmal Roth, immer Roth.

Ein Klagelied, welches vielleicht auch Life Of Agony in Kürze und in ähnlicher Form anstimmen könnten. Da wird die New Yorker Band als angesagtester 90s-Metal-Act neben Type O Negative gehandelt und Sänger Keith Caputo nicht zuletzt wegen seines kauzigen und kurzbeinigen Äußeren zum Schwarm aller Alternative Metaller erkoren, und schon ist er weg, und die Band sitzt schön dumm da.

Denn eines ist auch hier klar: Selbst wenn Life Of Agony mit dem ehemaligen Ugly Kid Joe-Sänger Whitfield Crane einen populären Ersatz gefunden haben mögen, gegen Caputos verzweifelten Mickey Rooney-Charme wirkt Crane wie ein biederer Mime. Und wer weiß, vielleicht wird in 15 Jahren einigen Rockern die bloße Erwähnung von Caputo die Tränen in die Augen treiben.

Life Of Agony: Do, 28. Mai, 21 Uhr, Große Freiheit / Van Halen: Mi, 3. Juni, 20.30 Uhr, Docks