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Das Flimmern der Deiche

■ Zum 9. Mal leistet das Emder FilmFest cineastische Entwicklungshilfe für die ostfriesische Region. Mit dem Publikumspreis prämiert wurde ein Film über die Entwicklung jüdischen Selbstbewußtseins. Höchstes ostfriesisches Lob von Thomas Schumacher

In Leer/Ostfriesland geht im Kino erste Tür rechts die Titanic mittlerweile in der 21. Woche unter. Geradeaus werden gemeine Mäuse in der 10. Woche gejagt. Im Kinoflur treffen BesucherInnen aufeinander. Einige von ihnen wollen, daß die Titanic endlich ihren Frieden findet. Sie konnten sich während des 9. internationalen Emder Filmfestes eine Woche lang großflächig im fast leeren Kinosaal ausbreiten.

Selbst von gängigen Filmen gibt es in den fünf Kinocentern zwischen Papenburg und Oldenburg nur eine kleine Auswahl zu sehen. Filme, die mit wenigen Kopien auf den Markt kommen und kleine Filmverleihe haben, enden bestenfalls in Bremen, manchmal in Oldenburg. Deshalb zeigte zum erstenmal das am Donnerstag zuende gegangene Emder FilmFest auch Beiträge in Aurich und Leer. Ein Flop. „In Emden haben wir eine 15- jährige Filmklubtradition, die fehlt in den anderen Städten“, umschreibt Thorsten Hecht aus dem Emder Organisationsteam das Dilemma. Kinderfilme des Festivals zum Beispiel hatten in Aurich und Leer keine Chance.

Dabei hat das Festival insgesamt einen Besuchergewinn zu verzeichnen. Ein großes Plus für Emden ist die Publikumsnähe der SchauspielerInnen und RegisseurInnen. Auf abendlichen Treffs im Cafe oder in den Kneipen werden die Stars beim Klönschnack präsentiert. Jahrelanger Liebling in Emden war Armin Müller-Stahl. Höchstes ostfriesisches Lob: „Der Armin, jau!“ Ihn im Filmcafe in der Stadtmitte zu treffen war selbstverständlich. In Emden sind Akteure der gezeigten Filme ansprechbar. Eine Strapaze für die Filmleute. Eine Chance für gastfreundliche, nicht immer ernste Kommunikation. Da wird dann auch ein trunkener und herumalbernder Thomas Heinze, Sonnyboy deutscher Filmkomödien, ertragen, und Kollege Achim Rohde kann skandieren: „Ich fordere Arbeitslose auf, mit der Knarre die Arbeitsämter zu stürmen.“

Dieses Jahr sollte Iris Berben Achim Müller-Stahl als Publikumsmagnet ersetzen. Ihr wurde sogar eine Retrospetive ihrer Filme gewidmet. Interessant, daß die Berben nicht nur ulknudeln kann. Allein, sie blieb unnahbar. Das mögen Ostfriesen nicht.

Ganz anders der Jeroen Krabbe. Sein Film „Left Luggage“ bekam den Emder Publikumspreis. Viel wichtiger als die Preissumme von 15.000 Mark waren die Herzen, die dem Regisseur und Schauspieler zuflogen.

Als der Niederländer Zuschauerfragen auf englisch beantwortete, herrschte begeisterte Stille im Raum. Das Publikum verbat sich eine Übersetzung durch einen Dolmetscher. „Lieber .nur die Hälfte vestehen, von dem, was Kabbe sagt, als sich den Eindruck durch eine deutsche Übersetzung kaputtmachen zu lassen“, schwärmte ein leidenschaftlicher Festivalbesucher. „Left Luggage“ erzählt in wunderschönen Bildern die Geschichte der jungen Jüdin Chaja. Ihre Eltern waren ins KZ Auschwitz gesperrt, Familienmitglieder von deutschen Faschisten ermordet worden.

Das ist ihr schnuppe.

Erst als sie aus Geldnot ausgerechnet bei einer ultra- orthodoxen jüdischen Familie als Kindermädchen anheuern muß, setzt sie sich mit jüdischer Geschichte, mit ihren geschundenen Eltern und sich selbst auseinander. Sie bekommt Zugang zu jüdischer Geschichte und Kultur. Ihre jugendliche Burschikosität erweitert sich zu einem radikalen Selbstbewußtsein, offen, spontan und mutig. Left Luggage ist ein Geschichtenfilm, mit einprägsamen Bildern aus dem morbiden Antwerpen, hinreißenden SchauspielerInnen, tragisch, höchstpolitisch und voll von lebensbejahendem Humor.

Wir haben geweint...

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