Die Polizei, dein Freund und Sammler

■ Polizei speichert die Daten von 3,2 Millionen Menschen mit Verbindung zu einer Straftat: Täter, Tatverdächtige, Opfer und Anzeigende. Datenschutzbeauftragter und Grüne kritisieren Sammelwut: Bürger sol

Im polizeilichen Informationssystem zur Verbrechensbekämpfung (ISVB) sind derzeit rund 3,2 Millionen personenbezogene Datensätze gespeichert. Von diesen wurden etwa 2,4 Millionen Einträge in den vergangenen fünf Jahren aufgenommen. Diese Zahlen nannte gestern der Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten, Volker Brozio, unter Berufung auf Polizeiangaben gegenüber der taz. Brozio geht davon aus, daß es sich bei den Datensätzen um 3,2 Millionen „unterschiedliche Personen“ handelt. Damit wäre statistisch gesehen nahezu jeder der etwa 3,2 Millionen erwachsener BerlinerInnen in der Polizeidatei in Verbindung mit einer Straftat registriert. Die Polizei konnte gestern zur Menge der Speicherungen keine Angaben machen.

In der Datei werden alle bei der Polizei bearbeiteten Straftaten, Vermißten- und Leichensachen sowie Personen- und Sachfahndungen gespeichert. Dabei werden neben Tatort und Tatzeit auch die Personalien der Anzeigenden, Geschädigten, Betroffenen und Tatverdächtigen erfaßt. Anzeigende und Geschädigte werden nach fünf Jahren gelöscht, falls es zwischenzeitlich keinen neuen Erfassungsgrund gab. Bei Tatverdächtigen beträgt die Prüffrist für Erwachsene zehn Jahre. Sie verlängert sich bei weiteren Straftaten.

Auch wenn unter den Gespeicherten viele Nichtberliner sein könnten, kritisierte Brozio die Sammelwut der Polizei. Man müsse sehr restriktiv nach dem im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) vorgeschriebenen Erforderlichkeitsgrundsatz verfahren. Allerdings werde dieser von der Polizei sehr weitgehend ausgelegt. „Laut Gesetz könnten die Daten von Anzeigenden und Geschädigten auch schon nach drei Jahren gelöscht werden“, sagte Brozio.

Am Donnerstag hatte die Polizei erklärt, sie werde etwa 750.000 Briefe an Personen verschicken, deren Daten schon länger als fünf Jahre gespeichert sind. In den Briefen wird allerdings nur mitgeteilt, daß eine Speicherung erfolgt ist, der Grund wird nicht genannt. Detaillierte Angaben seien „wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes“ nur auf Nachfrage möglich, erklärte die Polizei. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky bat daher darum, von unnötigen Nachfragen abzusehen.

Auch der Sprecher des Datenschutzbeauftragten hält die Bitte um Zurückhaltung bei der Auskunft für vernünftig. Schließlich gebe es keine Frist, bis zu der die Nachfrage erfolgen müsse. Die angedeutete Überlastung der Polizei durch den Datenschutz weist Brozio jedoch zurück. Schließlich hätte die Polizei bereits vor fünf Jahren mit den Mitteilungen beginnen und so die jetzt anstehende Nachfragelawine abwenden können. Daher solle auch jeder, der sich durch die Polizeipost irritiert fühle, von seinem Recht auf Auskunft Gebrauch machen, so Brozio. Auf Anfrage müsse die Polizei detailliert über die Hintergründe der Speicherung Auskunft geben. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sei es ganz wesentlich, daß der Betroffene erfährt, was gespeichert ist. „Denn nur, wer weiß, kann auch handeln“, so Brozio. Bei falschen Daten habe der Bürger ein Recht auf Sperrung oder Löschung.

Auch Renate Künast, Fraktionschefin der Bündnisgrünen, wirft der Polizei eine selbstverschuldete Welle von Anfragen vor. Angesichts der derzeitigen Diskussion über Datenerfassung sei es „ein kleiner Sieg, daß die Polizei sich an dieser Stelle endlich einmal an den Datenschutz hält“. Künast hofft nun aufgrund der zu erwartenden Bürgernachfragen auf einen „verspäteten Frühjahrsputz“ in der Polizeidatei. Gereon Asmuth