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Ein Kampf um Leben und Tod

Morgen wird in Montenegro ein Parlament gewählt. Milošević-Gegner und -anhänger stehen sich unversöhnlich gegenüber. Viele fürchten einen Bürgerkrieg  ■ Aus Podgorica Andrej Ivanji

Podgorica, die Hauptstadt Montenegros, befindet sich im Alarmzustand. Die Polizei kontrolliert alle Zufahrten, Busse und Autos werden aufgehalten, Passagiere nach Waffen durchsucht. Morgen finden in der Teilrepublik Jugoslawiens Parlamentswahlen statt. Dabei entscheidet sich, ob die kleine Republik vielleicht bald Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges sein wird.

Heute haben Vertreter der „Sozialistischen Volkspartei“ (SNP) ihren Auftritt. Der Gründer der Partei, der montenegrinische Expräsident Momir Bulatović erkennt den gegenwärtigen Präsidenten Milo Djukanović und das von dessen Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) dominierte montenegrinische Parlament nicht an. Bulatović' Wahlkampf gleicht einem unerbittlichen Feldzug. 20.000 Anhänger der SNP sind auf dem Hauptmarkt versammelt. Auf den Gesichtern spiegelt sich Haß und Verbitterung. Die Menschen wollen nur eines: den Kopf von Milo Djukanović.

Bulatović wird mit tobendem Beifall begrüßt. Mit bekannten Haßtiraden gegen Djukanović heizt er die Massen an. „Djukanović hat aus Montenegro einen Polizeistaat gemacht, seine Regierung steht an der Spitze des organisierten Verbrechens, er will das historische Bündnis zwischen Serbien und Montenegro zerbrechen. Bei den Wahlen werden wir siegen und ihn und seine Bande vors Gericht stellen“, verkündet Bulatović, Richtige Patrioten könnten nicht für Djukanović sein, der werde von Muslimen und Albanern unterstützt, fährt er fort. „Milo Gangster!“, „Milo Türke!“, tobt die Menge.

Doch bei den morgigen „Schicksalswahlen“, wie es überall heißt, geht es nicht nur um die Existenz Montenegros, sondern der Bundesrepublik Jugoslawien. Das zehnmal kleinere Montenegro ist in der gemeinsamen Föderation mit Serbien gleichberechtigt. Sollten die um Djukanović versammelten Reformparteien die Mehrheit im montenegrinischen Parlament gewinnen, kündigt der junge, von Amerika und der EU unterstützte montenegrinische Präsident einen kompromißlosen Kampf gegen den jugoslawischen Bundespräsidenten, Slobodan Milošević, in allen Bundesinstitutionen an. „Entweder wird Milošević' Herrschsucht ein Ende gesetzt, oder Jugoslawien wird allmählich auseinanderfallen“, schreibt die Zeitschrift Monitor aus Podgorica. Montenegro sei nicht länger bereit, unter Milošević' „grenzenlosen Herrschsucht“ zu leiden. Denn der jugoslawische Präsident wolle mit allen verfügbaren Mitteln den Einfluß Djukanović' in jugoslawischen Bundesinstitutionen zurückdrängen.

Deshalb wird der Milošević- treue Bulatović aus Belgrad finanziert und deswegen führt Serbien einen vernichtenden Medienkrieg gegen Djukanović, seine „sezessionistische, verräterische und kriminelle“ Politik, wie es heißt. Anfang vergangener Woche hatte Milošević seinen Schützling Bulatović in einem juristisch strittigen Verfahren gegen den Willen des montenegrinischen Parlaments zum jugoslawischen Ministerpräsidenten ernannt. „Wir erkennen diese Bundesregierung nicht an. Jugoslawien existiert zwar noch immer, doch der Bundesstaat ist nicht mehr legitim“, erklärte der montenegrinische Parlamentspräsident, Svetozar Marović.

Die Anhänger von „Milo“ und „Momir“ sind bereit auf Leben und Tod zu kämpfen. Die 20jährige Aleksandra ist verzweifelt: „Die Menschen sind blind vor Haß und Wut. Freunde reden nicht mehr miteinander, meine Familie ist restlos zerstritten.“ Der an Serbien grenzende verarmte Norden Montenegros steht verbissen hinter Bulatović. Die Bevölkerung im reicheren Süden und an der Küste ist bereit, für Djukanović die Waffe in die Hand zu nehmen. Nicht nur der Bundesstaat steht vor dem Zerfall, auch dem kleinen Montenegro droht ein blutiger Bruderkrieg.

Der Liberale Bund (LSCG) steht zwischen den beiden verfeindeten Lagern und lauert. Während Bulatović für einen zentralisierten Bundesstaat kämpft und Djukanović sich für eine Föderation einsetzt, in der beide Teilrepubliken gleichberechtigt sind, ist der LSCG kategorisch für ein unabhängiges Montenegro. „Serbien hat riesige Probleme mit nationalen Minderheiten, seine Wirtschaft ist ruiniert, es stellt für Montenegro einen erdrückende Last dar. Selbständig würde sich Montenegro viel schneller entfalten und den Weg nach Europa finden können“, erklärt der LSCG-Vorsitzende Slavko Perović (siehe Interview).

Weder Djukanović' Koalition noch die SNP können die absolute Mehrheit erreichen, glaubt Perović, für die LSCG rechnet er mit etwa 16 Prozent der Stimmen. Dann würde es von der LSCG abhängen, wer die Regierung bilden kann.

Schon jetzt hat Belgrad angekündigt, die Parlamentswahlen in Montenegro nicht anzuerkennen, falls die Partei von Djukanović siegen sollte. Doch unabhängig davon, wie das Ergebnis am Ende ausfallen wird, in einem sind sich viele Beobachter sicher: In der kleinen Republik an der Adria wird es in diesem Jahr ein heißer Sommer werden.

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