piwik no script img

Suhartos Vermögen angeln

Indonesier wollen der ehemaligen regierenden Familie ans Portemonnaie: Fünf Prozent ihres Reichtums wird ihr zugestanden, der Rest soll an den Staat fallen  ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch

„Kleinvieh macht auch Mist“, muß sich Siti Hardiyanti Rukmana, geschäftstüchtigste Tochter von Expräsident Suharto, gedacht haben, als ihre Firma den Vertrag unterschrieb: Sie durfte alle indonesischen Führerscheine ausstellen – im Auftrag der Polizei. 52.500 Rupiah (heute knapp 10 Mark) soll sie dafür täglich bis zu 3.000mal kassiert haben, berichten die Zeitungen – auf die Konten der Behörden floß nicht einmal ein Zehntel davon. Wofür das übrige Geld verwendet wurde, weiß Polizeichef General Dibyo Widoyo auch nicht recht. Aber nun hat er erkannt, daß irgend etwas faul an dem Geschäft war: „Wir werden unsere Zusammenarbeit gründlich überprüfen. Das ist Bestandteil des glühenden Eifers, mit dem wir Vetternwirtschaft, Filz und Korruption innerhalb der Polizeitruppe ausmerzen werden“, versprach Widoyo.

Wenig mehr als eine Woche ist vergangen, seitdem der alte Präsident Suharto nach 32 Jahren plötzlich zurücktrat. Seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht neue Skandale und Enthüllungen über das weitverzweigte Suharto-Imperium bekanntwerden, dessen Tentakel vom Straßenbau über Autofabriken, Kraftwerke, Fernsehstationen, Chemiebetriebe und Banken bis in die obskursten Geschäfte hineinreichen. Der Kampf gegen „K3N“ (Korruption, Günstlingswirtschaft, Filz zwischen Politik und Geschäft und Nepotismus) ist zum allgegenwärtigen Schlagwort alter und neuer Oppositioneller geworden. Autofahrer reißen den Zeitungsjungen an den Straßenkreuzungen die fotokopierten Listen von Suharto-Firmen aus den Händen. WirtschaftsstudentInnen vergraben sich mit ungewohntem Interesse in Handelsregister, um dem Clan auf die Spur zu kommen.

Die sechs Kinder Suhartos und enge Vertraute werden vom Wirtschaftsmagazin Forbes auf über 8 Milliarden Dollar geschätzt, vom „Indonesian Business Data Centre“ auf rund 18 Milliarden Dollar. Am Samstag forderte Oppositionspolitiker Amien Rais vor Studenten, Suharto solle den Löwenanteil seines Vermögens dem Land zurückgeben, damit Indonesien nicht mehr um ausländische Kredite „betteln“ müsse. Fünf Prozent könne er behalten.

Niemand konnte ahnen, wie schnell sich das Blatt für die Suharto-Firmen wenden würde: Noch vor kurzem hießen die Kinder und Freunde des Alten die „Unantastbaren“. Staatliche Aufträge erhielt oft nur, wer eine Tochter oder einen Sohn Suhartos mit ins Geschäft nahm. Das ist vorbei: Der neue Minister für Kooperativen, Adi Sasono, hat angekündigt, er werde das Nelken-Monopol des jüngsten Suharto-Sohnes Tommy überprüfen. Ein anderer Minister will alle Steuerprivilegien der Suharto-Günstlinge offenlegen – und womöglich abschaffen. Die indonesische Regierung mußte letzte Woche die Bank Central Asia, größte Privatbank Indonesiens, übernehmen, weil sie zahlungsunfähig wurde. Sie gehört zwei Kindern Suhartos und der Salim-Gruppe seines engen Freundes, Liem Sioe Liong. Die Kunden hatten die Filialen gestürmt, ihre Konten aufgelöst und nach Zeitungsberichten binnen kürzester Frist mehr als 1 Milliarde Dollar abgehoben. Wenige Tage zuvor hatte die staatliche Ölgesellschaft Pertamina, die rund die Hälfte der indonesischen Deviseneinkünfte sichert, eine erstaunliche Ankündigung gemacht: Sie werde ihre Verträge mit 120 Suharto-Firmen „überprüfen“. Noch wenige Tage vor dem Rücktritt Suhartos hatten die Chefs der Pertamina sich geweigert, mitzuteilen, wer Anteile am verzweigten Konzern besitzt. Längst munkelten Kritiker, daß die Suhartos über viele Jahre hinweg durch günstige Liefer- und Transportverträge von den Subventionen profitierten, die den Benzinpreis niedrig hielten. Als Suharto auf Druck des Internationalen Währungsfonds Anfang Mai die Ölpreis-Subventionen kürzte und die Kosten in die Höhe stiegen, begannen die schweren Unruhen, die später zum Sturz seines Regimes führen sollten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen