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Die Beatniks von einst sehen in ihm ihre eigene wilde Jugend. Die Babyboomer lieben sein Understatement. Für die coolen Kids ist er so kultig wie die Schlaghosen ihrer Eltern. Der "New Beetle" ist ein Shootingstar auf dem US-Automarkt. Auf

Es heißt, der Erfolg war nicht geplant. Aber er war wohl kalkuliert.

Ursprünglich, so die smarte „Tellerwäscher“-Story über den neuen VW-Käfer, hatten sich die US-Marktstrategen von Volkswagen den „New Beetle“ als witzige, sentimentale Dreingabe zur Markteinführung des neuen „Golf“ ausgedacht. Ein kleines Experiment, ein launiges Beiprodukt. Derzeit aber spricht niemand mehr vom neuen Golf, der im nächsten Jahr auf den US-Markt kommen soll. Jetzt reden alle vom alten neuen Käfer.

Das Geschäft mit dem „New Beetle“ boomt landesweit: Gleich im Einführungsmonat April verkaufte sich das kugelige Auto knapp 5.000mal. Insgesamt 60.000 Neuwagen hat VW in den USA abgesetzt, das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahresapril von 41,5 Prozent. „Der beste Monat seit über zehn Jahren“, jubeln die Manager von Volkswagen of America und verstehen ihr eigenes Glück nicht.

Selbst die kühnsten Erwartungen des Konzerns habe der Beetle übertroffen. „Bei den Vorführungen waren wir selbst erstaunt über den Zuspruch“, sagte Tony Fouladpour vom VW-Pressebüro in Auburn Hills. Das Spektrum interessierter Kunden, die im „New Beetle“ probesitzen und -fahren, reiche vom 60jährigen Banker bis zur Erstsemster-Kunststudentin. Käferfans jeden Alters drücken sich an den Fenstern der Ausstellungsräume die Nasen platt. Passanten rufen dem poppig gespritzten Vierrad-Insekt zärtlich „cute, cute, cute“ (“niedlich, niedlich, niedlich“) hinterher, wenn er auf Probeflug geht. Und die „Beetle“- Testfahrer der Autozeitschrift Car resümierten, egal, ob es sich um „kids, Ältere, Alkis, crackheads oder Nonnen“ handele: „Die Menschen starren, sie fuchteln, sie lachen, sie schreien, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und sozialer Stellung.“

Bei genauerem Hinsehen ist der Aufruhr nicht so überraschend, wie es uns die Werbeleute glauben machen wollen. Denn der Erfolg des Beetle ist vor allem der Erfolg einer unkonventionellen Marketing-Strategie für eine unkonventionelle Zielgruppe. Mit dem „beetle“ werden nämlich die zu Geld gekommenen Ex-Hippies, die für immer jungen Beatniks und die um Understatement bemühten Öko-Freaks der Babyboom-Generation angesprochen. Diese kaufkräftigen „Master consumer“ fahren zwar alle ein Auto, aber sie fahren nicht auf die Steigerungsphantasien „größer, breiter, schneller“ der Autobranche ab. Für sie ist der „New Beetle“ ein Ausweg. Denn dieses Auto hat zwar den Komfort und die Leistung eines standesgemäßen Mittelklassewagens. Aber es sieht nicht so aus.

Im „New Beetle“ erkennen die Hippies von einst den billigen, kleinen, mit Flower-power-Symbolen verzierter „Bug“ oder VW-Bus ihrer eigenen wilden Jugend. „Get ready for the past“? Nicht immer war es schicklich für VW, auf die eigene Vergangenheit zu verweisen. Nach dem Krieg hatte gerade der Käfer als „Kraft durch Freude“-Nazikutsche erhebliche Imageprobleme.

Das deutsche Unternehmen trat die Flucht nach vorn an. Mit Negativslogans wie „Think small“ oder „Its ugly, but it gets you there“ drehte die von VW beauftragte Agentur Doyle Dane Bernbach die herkömmlichen industriellen Werbeversprechungen einfach um. Die Rechnung ging auf, das Antiauto wurde zum Auto der Antiautoritären.

Konsequent dockt sich die VW- Werbung für den New Beetle nun an das sentimentale Erinnungsgefühl dieser nur unwillig erwachsen gewordenen Generation an. „Less flower, more power“ verprechen sie ihren potentiellen Kunden. Auf dem Rücksitz des Old Beetle haben die gut betuchten Mitfünfziger ihre ersten Abenteuer bestanden, mit dem New Beetle können sie sie inklusive Airbag noch einmal abfahren.

Aber selbst für die Jungen ist der neue Käfer „cool“. Auch sie haben als Kinder ihre eigenen (anderen!) Rücksitz-Erfahrung gemacht, der Seventies-Kult tut ein übriges, daß dieses komplett neu gestylte Auto zu einem generationeneinende Symbol avancierte.

Den „New Beetle“ hatte das VW-Designerstudio im kalifornischen Simi Valley zunächst als „Concept 1“ ausgebrütet und erstmals 1994 auf Autoausstellungen gezeigt. Damals stimmte das VW-Management einer Weiterentwicklung des alten Käfers nur unter der Bedingung zu, daß der futuristische Käfer als Bestandteil der Golf-Produktionsstraße gebaut werden könne.

Also wirklich alles Zufall? Sei es wie es sei: Längst interessieren sich die Soziologen für den Erfolg des Beetle, dem es offenbar gelungen ist, die Autofahrergenerationen zu versöhnen. Daß die Zeiten sich nicht überall geändert haben, bleibt eine andere Käfer-Wahrheit. Im mexikanischen Puebla schrauben die 8.400 Arbeiter den Beetle für acht Dollar Tageslohn zusammen. Daran verschwendet kein beetlemaniac einen Gedanken.

Max Boehnel,

New York

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