: Gestreichelte Kreise
Angelika Richter gibt ihren Einstand am Thalia Theater in Karin Henkels Ionesco-Inszenierung Die Unterrichtsstunde ■ Von Christiane Kühl
„Ich bin Perfektionistin“, sagt Angelika Richter mit einem perfekten schiefen Lächeln, „ich nehme alles sehr ernst, was ich tue. Wenn ich was nicht kann, werde ich aggressiv.“ Oft mußte die 25jährige vermutlich nicht aggressiv werden. Guckt man auf ihren kurzen Lebenslauf, sieht er aus wie ein Karriereseminar „Perfektionismus leicht gemacht“. Schon während der Schulzeit in Leipzig begann sie in Freien Theatergruppen zu spielen – „Ich war gut“ –, woraufhin sie umgehend für ein paar kleine Rollen an das dortige Schauspielhaus engagiert wurde. Zwar klappte es nicht gleich bei den ersten beiden Bewerbungen an staatlichen Schauspielschulen, dann aber, als sie sich gerade entschlossen hatte, Maskenbildnerin zu werden und schon den Ausbildungsvertrag als Friseuse in der Tasche hatte, nahm man sie am renommierten Max-Reinhardt-Seminar in Wien an. Noch im ersten Ausbildungsjahr wurde sie ans Burgtheater engagiert. Angelika Richter, aufgewachsen auf einem Bauerhof an der Ostsee, war damals 23 Jahre alt.
Am Sonntag steht sie erstmals auf der Bühne des Thalia Theaters. Mit einem Gastvertrag spielt sie in Karin Henkels Inszenierung der Ionesco Farcen Die Unterrichtsstunde/Die kahle Sängerin, ab der kommenden Spielzeit ist sie fest im Ensemble. „Ich hab von Anfang an das Gefühl gehabt, daß das richtig ist, nach Hamburg zu gehen“, betont die auskunftsfreudige Schauspielerin. „In Wien habe ich mich nie richtig wohlgefühlt. Das war, als würde ich mich jemand ausliefern, vor dem ich Angst habe.“
Denn natürlich fühlt sich nicht alles, was wie Traumkarriere aussieht, auch wie Traumkarriere an. Die Proben an der Schule und parallel die harte Arbeit an der Burg, alles weit weg von zu Hause, haben sie ausgepowert. Auffangen tut einen in so einer Institution keiner. „Man hat mir Plätzchen angeboten. Aber wie man die Leute da reinholte und rausschickte, das war Willkür. Ich dachte, wenn das überall so ist, muß ich den Beruf wechseln.“
Tat sie aber nicht. Und das ist gut so. Und letztendlich haben die Erfahrungen in Wien sie viel gelehrt – auch einiges, was ihr bei den Proben von Ionescos absurder Unterrichtsstunde hilft. Ein fanatisch lernbegieriges Mädchen trifft da auf einen missionarisch lehrwilligen Professor, was die Ideologie siegen und Vernunft scheitern läßt.
Natürlich hat das Angelika Richter erst aggressiv gemacht. „Ich dachte: Warum geht die nicht weg?“ Aber die Erinnerung an drei Jahre Unterricht bei Klaus Maria Brandauer machten das Verhalten verständlicher. „Dem wollte man auch gefallen. Ich habe mich da manchmal verraten, nicht getraut 'nee' zu sagen. Habe gedacht, was ich denke sei falsch. Brandauer ist so genialisch, daß ich irgendwann dachte, ich sei nicht wahnsinnig genug.“ Das mit dem Perfektionismus hat man ihr auch eingebläut, allerdings schon zu Hause. Am Ende wundert's nicht, wenn sie ihren Lieblingssatz aus dem Stück nennt: „Nimm einen Kreis, streichel ihn, und er wird zum Teufelskreis.“
Premiere: Sonntag, 7. Juni, Thalia Theater
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