Durchs Dröhnland: Nackt in die Rotation
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Schwere Schläge hatten die Metallköpfe zu verdauen in letzter Zeit, als sich mit Soundgarden und Kyuss gleich zwei Kapellen auflösten, auf die sich alle einigen konnten, und dann schmissen Sepultura auch noch Max Cavalera raus. Die Brasilianer hatten zwar als wildwütende Deathmetaller begonnen, dann aber schnell die Straße zu gemäßigteren Klängen gefunden. Innovativ blieben sie trotzdem, bauten Einflüsse südamerikanischer Folklore ein, erweiterten den metaltypischen Mystizismus um Voodoo und verdienten haufenweise Geld. Auf dem Debüt seiner neuen Band Soulfly rechnet Cavalera ausführlich mit seiner ehemaligen Band ab und wird – wie früher schon bei Sepultura – explizit politisch. Musikalisch ist die Grundstimmung ein tiefes, böses Grummeln, die lichten, sommerlichen Momente äußerst rar. „Mächtig gewaltig“ würde die Olsen-Bande sagen.
5.6., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114,
Die Freundschaft zwischen den von Hawaii nach Los Angeles umgesiedelten Chokebore und den von Freiburg nach Hamburg umgesiedelten Tocotronic hatte bereits eine gemeinsame Tour und eine Split-Single zur Folge. Nun halten die beiden Masterminds ganz alleine Händchen. Sowohl Dirk von Lowtzow als auch Troy Bruno Balthazar haben ihre Klampfen eingepackt, werden sich Ständchen singen und sich auch wechselseitig begleiten. Alte Chokebore-Fans seien allerdings gewarnt: Von den rüden Punkismen ist nicht mehr viel übrig, Herr Balthazar präsentiert sich neuerdings eher als Soul-Crooner, den es aufs flache Land verschlagen hat. Die Gitarren meist elegisch, das Tempo auch mal gemäßigt, die früher allgegenwärtige Paranoia bricht nur mehr selten aus.
5.6., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Als sie begannen, waren sie zu dritt, bei einem Berliner Auftritt vor drei Jahren schon zu acht, und inzwischen sind sie dreizehn. Mit der Zahl der Mitglieder von Korai Öröm scheinen auch die Einflüsse auf das ungarische Ensemble immer weiter zu wachsen. Auf einer prinzipiell jazzigen, aber doch meistens eher psychedelischen Grundlage integrieren sie New Age und Ambient, diverse Weltmusiken und Rock-Klischees. Das hört sich in den ungünstigsten Momenten zwar an wie das Alan Parsons Project, in den überwiegenderen aber entspannend und meditativ.
5.6., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 36–39
Es war ja zu erwarten, daß die Lemonbabies irgendwann versuchen würden, erwachsen zu werden. Nicht zu erwarten war, daß sie den Übergang so gut hinkriegen würden. Zwar machen sie eigentlich immer noch Sixties-Pop, aber der hört sich plötzlich tatsächlich nach aktuellem Hitparadenfutter an. Auch der Schachzug, sich nur bekleidet mit den Instrumenten, die man nach acht Jahren öffentlichem Üben inzwischen nun doch recht gut beherrscht, ablichten zu lassen, war zwar durchschaubar, aber erfolgreich und endete in der Rotation. Beim Berliner Auftritt werden allerdings wohl hauptsächlich die alten Gesichter überprüfen, ob die Lemonbabies weiterhin als heimische Lieblinge ins Herz zu schließen sind oder ab jetzt doch besser neidvoll schlechtgemacht werden.
7.6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz
An den Grenzlinien zwischen Elektronik und konventioneller Klangerzeugung findet die momentan wahrscheinlich spannendste Musik statt. Genau dort soll auch „Adlergestell“ forschen, eine Reihe von „4 electroaccustischen Sessions“ im Wochenrhythmus, bei denen Instrumentalisten in einer ganz klassischen Improvisations-Atmosphäre auf DJs und Programmierer losgelassen werden. Den ersten Abend bestreiten vier Gitarristen (darunter Rainer Frey alias Yref), drei DJs und ein Synthbassist.
7.6., 22 Uhr, Gerard Philippe, Wildenbruchstraße 38
Die fünf von Silverbullit sind zwar Mitte Zwanzig, aber sehen kaum volljährig aus. Ähnlich unverbraucht auch das Bild, das die schwedische Band von den kreischenden Sechzigern abliefert, die offensichtlich nur aus stumpfen Gitarrenriffs, jodelnden Hammondorgeln und nach Bier stinkenden Garagen bestanden. Glückliche Zeiten das, als man Songs noch völlig unironisch „Boom Boom Boogie“ nennen konnte. Fast noch miterlebt haben dürfte das Chris Goss, der zwar seit fünfzehn Jahren mit seinen Masters of Reality dem Bluesrock die Stange hält, aber erst als Produzent von Kyuss halbwegs berühmt wurde. Den unglaublich warmen Sound, den er denen verpaßt hat, kann man auch bei seinem eigenen Trio finden, bei dem eine Platte lang immerhin mal der nun wirklich berühmte Ginger Baker mittat.
10.6., 21 Uhr, Huxley's Junior
Beide haben immer noch diese Mützen auf dem Kopf, die angeblich ihre Haare sind, man trägt vorzugsweise Schwarz und ein paar bunte Tücher um den Hals. Dave Kusworth und Nikki Sudden haben zwar mal wieder eine Platte gemacht, aber nicht nur ihr Äußeres ist weiterhin jenseits jedes Modernitätsverdachts. Die Jacobites spielen traurige Balladen und flotte Rocknummern mit Gitarre, Schlagzeug und Bass, und wenn sie übermütig werden, nehmen sie noch eine Orgel und eine Backgroundsängerin dazu. Man ist Mann und schwermütig, ein großer Junge mit einem kleinen Glas in der Hand, und die Zukunft verspricht kaum mehr als einen Kater.
Diesmal haben die Jacobites zwei Songs von Suddens verstorbenem Bruder Epic Soundtracks aufgenommen, und auch wenn Authentizität nun wirklich endgültig aus der Mode ist, bei „Elizabethan Balladeer“, Suddens Song über seinen Bruder, werden die Äuglein doch ein wenig feucht.
11.6., 21 Uhr, Schleusenkrug, Müller-Breslau-Straße Thomas Winkler
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