: Schöner Lernen im Verbund
■ Mit einer Podiumsdiskussion informierte die AfB-Fraktion über eine Neuheit im dualen Bildungssystem
Jung und lehrstellenlos – in und um Wilhelmshaven herum sind das fast Synonyme. Die Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent. Anfang des Jahrzehnts kam es zu einer Erosion bei den Ausbildungsplätzen: Über ein Drittel der Stellen gingen innerhalb von vier Jahren verloren. Doch dann kam GoLo.
Nun ja, nicht ganz. Aber der 1994 ins Leben gerufene Modellversuch GoLo – „Gestaltungsorientierte Berufsausbildung im Lernortverbund“ – ist zumindest der Versuch, aus der arbeitsmarktpolitischen Misere das Beste zu machen. Der Anstoß zu GoLo kam 1991 von Professor Felix Rauner vom Institut für Technik und Bildung der Uni Bremen. Finanziert aus Mitteln des Bundes und des Landes Niedersachsen macht sich GoLo eine scheinbare Strukturschwäche des Frieslands zunutze: Das Fehlen von Großbetrieben. Denn was die wenigsten wissen – 75 Prozent aller Azubis werden nicht in Großbetrieben, sondern in Klein- und Mittelbetrieben ausgebildet. Denen aber mangelt es zunehmend an Kapazitäten, um junge Menschen ausbilden zu können. Und hier setzt, wie GoLo-Betreuer Günther Pirschel auf einer von der AfB organisierten Diskussion erzählte, das Modellprojekt an.
Lernortverbund heißt das Zauberwort. Insgesamt 14 regionale Klein- und Mittelbetriebe aus der Metall- und Elektrobranche schlossen sich 1994 mit dem Ziel der kooperativen Organisation der Ausbildung zusammen.
Die Azubis – mittlerweile haben bereits 200 an GoLo teilgenommen – durchlaufen in allen beteiligten Betrieben spezielle Teile ihrer Ausbildung. Vorteil: Die Ausbildung ist umfassender und praxisnäher als in der klassischen Ausbildungswerkstatt des Großbetriebs. Und die einzelnen Betriebe erhalten Azubis, die Erfahrungen selbst in Bereichen der zunehmend ausdifferenzierten und spezialisierten Elektro- und Metallbranche gesammelt haben, die ihr Kleinbetrieb ihnen niemals hätte vermitteln können. Alle profitieren so von den jeweiligen Vorteilen des anderen Betriebs, gleichen ihre strukurellen Schwächen aus und müssen diesen Profit nicht einmal bezahlen. Zwischen den GoLo-Teilnehmern fließt kein Geld, sondern nur Know How.
Ergänzt wird dieses kooperative Lernmodell durch eine völlige Umorientierung der Berufsschule. Sie ist so in GoLo eingebunden, daß sie anhand von Projekten aus dem konkreten Berufsalltag der Azubis theoretische Inhalte vermittelt und damit auf die klassische Grundlagenvermittlung ohne direkten Bezug zum Berufsalltag der Azubis verzichtet. Das Bindeglied zwischen Schule und Betrieb basiert auf einem ganzheitlichen, von den Azubi-Interessen dominierten Lernkonzept. Der Berufsschullehrer übernimmt nunmehr eher moderierende Funktionen und leitet den Azubi zur Selbständigkeit an. Der Erfolg sei, sagte Pirschel, „einem Quantensprung vergleichbar“. Die Lernmotivation sei deutlich gestiegen. Die praxisbezogene Ausbildung steigere zugleich auch die sozialen Kompetenzen, „die zunehmend wichtiger sind als das reine Fachwissen, das im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts sowieso immer schneller veraltet .“
Für Pirschel birgt GoLo zahlreiche Anregungen zur Modifikation des Dualen Bildungssystems. Nach Beendigung des Modellversuchs, Ende 1998, ist geplant, GoLo-ähnliche Projekte in ganz Niedersachsen an insgesamt 22 Orten zu installieren. Die Übernahme der Kosten von schätzungsweise 20 Millionen Mark ist jedoch von der niedersächsischen Landesregierung noch nicht zugesagt worden. zott
Infos zu GoLo erteilt Günther Pirschel unter 04421 / 93 40
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