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Freie Bahn für dicke Fische

Die EU—Fischereiminister verbieten die Jagd mit Treibnetzen ab dem Jahr 2002. Greenpeace feiert den Beschluß als „Riesenerfolg“  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Die Party stieg spontan. Kaum hatten die EU-Fischereiminister am späten Montag abend in Luxemburg bekanntgegeben, daß sie sich darauf geeinigt hatten, die Treibnetzfischerei ab 2002 zu verbieten, knallten die Korken an Bord der MV Greenpeace und in den nationalen Zentralen der Umweltschützer. „Nachdem wir fast 15 Jahre gegen diese Fangmethode gekämpft haben, kann man nicht umhin zu sagen, das ist ein Riesenerfolg“, schwärmte Ralf Sonntag aus dem Hamburger Greenpeace-Büro.

Noch kurz vor der Entscheidung hatten etliche Beobachter Berichte an ihre Heimatredaktionen abgesetzt, daß sich die Ministerkonferenz wie in den Vorjahren wieder nicht zu einem Ergebnis habe durchringen können. Zu starr seien die Fronten zwischen den verbotswilligen Deutschen, Spaniern und Portugiesen auf der einen Seite und Italien, Frankreich und Irland auf der anderen Seite gewesen. Letztere hielten die Beendung der Treibnetzfischerei für diskriminierend und forderten eine lange – mindestens sechsjährige – Übergangsfrist. Doch schließlich wurden sie überstimmt.

Bereits 1991 hatten die Vereinten Nationen empfohlen, die Treibnetzfischerei auf hoher See zu beenden, bei der die Meere mit bis zu 100 Kilometer langen Netzen durchsiebt werden. Begründung: Die Methode, mit der vor allem Schwert- und Thunfisch gefangen wird, erlaube keinerlei gezieltes Fischen, während es bei anderen Techniken wie der Schleppnetz- oder der Langleinenfischerei sowie den Ringwadennetzen vor allem auf die Größenordnung der Netze und die Anzahl der Haken ankomme.

Nach Untersuchungen des britischen Fischereiministeriums machen die gewünschten Arten bei der Treibnetzjagd durchschnittlich nur 18 Prozent der Beute aus. 82 Prozent sind Haie, Rochen, Delphine, Meeresschildkröten und sogar Seevögel, die in den Maschen hängenbleiben und größtenteils verenden – Umweltschützer sprechen deswegen von „Vorhängen des Todes“. Die EU-Staaten hatten sich damals jedoch nicht auf ein komplettes Verbot einigen können und als Kompromiß eine maximale Netzlänge von 2,5 Kilometern gestattet, obwohl eine erneute Studie aus Großbritannien nachwies, daß sich der sogenannte Beifang dadurch nicht signifikant verringerte. Umweltschützer bemängelten zudem, daß es schwierig sei, die genaue Länge zu kontrollieren. Erst in den letzten Wochen vor der Konferenz hatte die Besatzung der MV Greenpeace die Probe aufs Exempel gemacht und etliche Schiffe mit bis zu 20 Kilometer langen Netzen auf hoher See erwischt.

Daß viele Fischer trotzdem lieber nicht auf das künftig verbotene Gerät verzichten wollten, hat damit zu tun, daß die Gewässer längst überfischt sind und es schwer ist, überhaupt einen Fang zu machen. Die Folgen eines Verbotes seien sozial unzumutbar, hatten auch die Regierungen argumentiert, die gegen die Beschränkung waren. Mehr als 10.000 Arbeitsplätze in wirtschaftlich schwachen Regionen stünden nun auf dem Spiel.

Der Beschluß von Luxemburg, der gegen die Voten von Frankreich, Irland und Italien durchgesetzt wurde, sieht nun eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2002 vor. Während dieser Zeit sollen EU- Mittel aus verschiedenen Fonds bereits so umgeschichtet werden, daß Fischer umgeschult, Schiffe ausgemustert und alternative Fangtechniken erprobt werden können.

Danach soll es nur noch eine Ausnahme vom Treibnetzverbot geben: Der Lachsfang in der Ostsee ist weiterhin erlaubt. Vor allem aus formalen Gründen. Gehören doch auch Nicht-EU-Staaten zu den Anrainern.

Grundsätzlich liege das Problem in der Ostsee aber ohnehin etwas anders. Dort seien die Mengen der in den Treibnetzen verhedderten Meeressäuger, Schildkröten und großen Fische eher gering. Lediglich der Lachs selber ist überfischt. Hier wäre eine deutlich kleinere Fangquote ohnehin besser.

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