: Römisch-englische Gartenidylle
■ Römischer Garten in Blankenese: Nach Wiederherstellung ein Zwitter Von Susanne von Ahn
Mit Schwung nehmen zwei Radfahrer die provisorische Holzrampe zum „Rosengarten“, der kleinen Terrasse des Römischen Gartens hoch über der Elbe am Falkensteiner Ufer, bremsen scharf ab und werfen einen Blick links über die steinerne Brüstung in das jüngst restaurierte Freilufttheater.
Barock geschwungene Treppen führen zum Rasenrund, das gesäumt ist von fünf Sitzreihen fürs Publikum, hinter denen frisch gepflanzte kleinen Zypressen im Wind taumeln. Frisch herausgeputzt, ist angesichts knapper Kassen derzeit an eine ständige kulturelle Nutzung des Gartendenkmals nicht zu denken – wie auch die Kulturbehörde bedauert. Hin und wieder nur erobern sich Privatleute die Anlage für Freiluftfeste.
Auf dieser Bühne klagte einst in den „Golden Twenties“ ein hanseatischer Leonce der Senatorentochter Lena das Leid seines ereignisarmen Lebens. Das Theaterrund mit Platz für mehr als 100 Zuschauer richtete die damalige Besitzerin, die Familie Warburg, während der ums gesundheitliche und kulturelle Gemeinwohl bemühten Volksparckultur der 20er Jahre ein. Damals entstanden ähnliche Theater auch im Altonaer Volkspark und im Stadtpark. Warburgs Theaterereignisse fanden allerdings meist im privaten Kreise statt.
Jahrzehntelang moderte das Ensemble vor sich hin. Dabei repräsentiert der Römische Garten, Ende des 19. Jahrhunderts von dem Kaufmann Anton Julius Richter quer zum Elbhang im Barockstil angelegt, ein einzigartiges Stück großbürgerlicher hanseatischer Gartenkultur – das vom Einheitstypus der beliebten englischen Landschaftsparks abwich.
Hier oben, 100 Meter über der Elbe, hatte Richter seinen Traum verwirklicht. Die strenge barocke Struktur wurde aufgefangen durch den spätromantischen Gestus eines Sehnsuchtsbalkons mit Blick über die dunklen, wellenförmigen Hecken auf Elbe und Altes Land. Die kleine Westterrasse schmückten wie mit dem Zirkel gezogene Rosenbeete, umrahmt von Buchsbaumrabatten und Kieswegen; im Wegekreuz erinnerte eine Sonnenuhr an die Zeit, die hier im Rosenduft stillzustehen schien. Eine Feldsteinmauer mit schmiedeeiserner Pforte schloß diesen Teil des Gartens wie einen Klosterhof nach außen ab. Die etwas niedriger gelegene große Terrasse öffnete sich im Osten zur Elbe. Von einem Aussichtspunkt konnten Besucher den Blick über ein muschelförmiges Wasserbassin hinweg, zwischen dem Dunkelgrün der Lebensbaumhecke (Thuja) hindurch auf den Strom schweifen lassen.
1951 schenkte die Familie Warburg, seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz des Parks, die Gartenanlage der Stadt mit der Auflage, diese zu erhalten. Lange geschah nichts dergleichen. Der Garten verwilderte. Erst vor einigen Jahren, als Anwohner bemerkten, daß die Böschung zur Elbe hin ins Rutschen geraten war, erteilte die Stadt einen „Gartenpflegeauftrag“ für den verwunschenen Ort und leitete die Renovierung ein.
Die Restaurierungsmaßnahmen aber glichen den wie von Böcklin gemalten Garten dem üblichen Gesicht Hamburger Parkanlagen im englischen Stil an. Die buchsbaumgefaßten Rosenbeete der kleinen Westterrasse wichen einer strauchumstandenen Rasenfläche. Die steinernen Gartenskulpturen verschwanden. Die wellenförmigen Zinnen der Thujahecke wurden gekappt, der schmal um die Ostterrasse sich schlängelnde Weg verbreitert und als Hauptachse mit der kleinen Terrasse verbunden.
Die den Rosengarten abschließende Pforte existiert nicht mehr, so daß der Hauptweg zur Radrennstrecke mutieren konnte. Immerhin: Einige Radfahrer ruhen sich auf dem sonnenumfluteten Aussichtspunkt oberhalb der großen Terrasse aus und lassen den Blick – wie einst die Gäste der Warburgs – über das barocke Wasserbecken auf die Elbe schweifen. Diesen Platz schmückten früher eine Puttengruppe und eine hölzerne Rundbank mit reichem Schnitzwerk, geblieben sind zwei leere Sockel und eine langweilige Bank aus Holz und Beton. Das dreistufige Alpinum aus Bruchsteinen unterhalb des Aussichtspunktes – einst ein Paradies für Enzian und Edelweiß, die vorwitzig aus den Steinritzen sprossen – mußte eine Stufe opfern und wurde vermörtelt. Die alpine Flora gedeiht jetzt ordentlich auf Terrassenbeeten. Die zerzauste Thujapracht erneuerten wohlmeinende Gärtner, indem sie Teile der alten Hecke herausrissen und Zypressen dazwischensetzten – eine Karikatur der weichen Wellen der grünen Kette.
Wo früher Hanseaten-Töchter anmutig Federballschwünge vollführten, tummeln sich heute bei Sonnenschein Hunde, Kinder und eben Radfahrer, die es wenig stört, daß dem Römischen Garten das italienische Flair fehlt. Die beiden Radfahrer machen kehrt und sausen von Vogelgezwitscher begleitet die Hecke entlang dem östlichen Ausgang zu. Ein böcklinscher Einklang zwischen Mensch und Natur will sich nicht einstellen.
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