: Von Obdachlosen zu Gestrandeten
■ „Hinz & Kunzt“-Chef wird kirchlicher Sozialarbeiter in Thessaloniki Von Thomas Morell
Ivo Banek (32) räumt seinen Schreibtisch als Chefredakteur der Hamburger Obdachlosen-Zeitschrift Hinz & Kunzt. Den Journalisten zieht es unter die griechische Sonne: Zum 1. September tritt der ausgebildete Diakon seine neue Stelle als Sozialarbeiter der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Thessaloniki an.
Zwei Jahre lang hat er Deutschlands erfolgreichste Obdachlosen-Zeitung aufgebaut. Ivo Banek bescheiden: „Ich glaube, es geht jetzt auch ohne mich.“ Die Interviews, die Banek als Rundfunkredakteur mit Hamburgs Diakonie-Chef Stephan Reimers geführt hatte, brachten ihn zu Hinz & Kunzt. Schwieriger als Artikel zu schreiben war es anfangs für ihn, im Hamburger Behördendschungel Genehmigungen für seine obdachlosen Straßenverkäufer zu bekommen. Daß die zähen Verhandlungen mit der Sozialbehörde über die Anrechnung des Verkäuferlohns auf die Sozialhilfe letztlich zu einem Kompromiß führten, ist maßgeblich Baneks Verdienst.
Ohne öffentliche Zuschüsse auszukommen, war für Hinz & Kunzt von Anfang an ein Ziel. Lediglich zur Anschubfinanzierung stellte die Nordelbische Kirche 50 000 Mark zur Verfügung. „Nach drei Monaten haben wir schwarze Zahlen geschrieben“, sagt Banek nicht ohne Stolz. Derzeit liegt die Auflage bei 100 000 Stück. Finanziert wird das Blatt nur aus Verkaufserlösen und Anzeigen, Spenden werden für Rechtsberatung, soziale Betreuung und Wohnraumvermittlung verwendet. Wenn mit Birgit Müller-Classen seine Kollegin die Leitung der Redaktion übernimmt, ist für einen reibungslosen Übergang gesorgt.
Daß die Zeitschrift sich trägt, ist auch der Anspruchslosigkeit des mittlerweile 13köpfigen Teams zu verdanken. Banek selbst hat nur einen 30-Stunden-Vertrag. Um finanziell über die Runden zu kommen, schob er Nachtschichten bei „Radio Hamburg“ oder entwickelte Medienprogramme für Greenpeace.
Derzeit paukt Banek griechische Vokabeln und Grammatik. Seine künftige Aufgabe in Thessaloniki ist die Sozialberatung von deutsch-griechischen Ehefrauen, Touristen in Schwierigkeiten oder einfach „Gestrandeten“, die von einem einfachen Leben unter griechischer Sonne geträumt haben. Nebenbei will er für das Goethe-Institut und als freier Journalist arbeiten. Banek: „Ich hab' mir schon lange gewünscht, einmal im Ausland zu leben.“
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