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Brüsseler Schelte für deutschen Amtsschimmel

■ EU kritisiert hohe Gebühren für Auskünfte vom Amt / Umweltbehörde tut ahnungslos

Die Schelte kam aus Brüssel. Mit Schreiben vom 14. März 1995 erlaubte sich die Europäische Kommission, „Seine Exzellenz Herrn Dr. Klaus Kinkel auf die Umsetzung und tatsächliche Anwendung der Richtlinie vom 7. Juni 1990 auf den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt aufmerksam zu machen.“ Danach sind die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, Nicht-Regierungsorganisationen und – in begründeten Fällen – auch Privatpersonen Auskunft über Umweltdaten zu erteilen. Die Praxis – so die EU-Kritik – sieht in deutschen Landen aber anders aus: Entweder neigen die Ämter zu Geheimniskrämerei, oder sie lassen sich ihre Auskunftspflicht mit unverschämt hohen Gebühren vergelten.

Schwierigkeiten bei der Umsetzung hatte unter anderem die Hamburger Umweltbehörde: Der „Umweltschutzgruppe Physik/ Geowissenschaften e.V.“ erteilte sie im vergangenen Frühjahr zwar die gewünschten Gewässer-, Grundwasser- und Luftmeßdaten in Billbrook, forderte aber gleichzeitig die Entrichtung von Gebühren in Höhe von 956,55 DM ein. Begründung: Die deutsche Regelung erlaube es, „kostendeckende“ Gebühren zu verlangen. „Monatelange akribische Arbeit haben die Sacharbeiter leisten müssen“, hält die Umweltbehörde den Betrag für angemessen. „Dreist“ fand das die Umweltgruppe und klagte vor dem Hamburger Verwaltungsgericht (taz berichtete).

Das Verfahren läuft noch, doch Umweltschützer Jochen Schramm ist zuversichtlich: „Der Brief ist ein positives Signal.“ Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das der Bundesregierung vorwirft, sich nicht an die Richtlinie zu halten: Es „bestehen Bedenken gegen die Heranziehung des Kostendeckungsprinzips in der deutschen Regelung. Dieses Prinzip führt dazu, daß dem Informationssuchenden die für die Bereitstellung und aufgewendete Arbeitszeit der Beamten in Rechnung gestellt wird.“ Kein anderer EU-Mitgliedsstaat wende dieses Prinzip an. Üblich sei, Porto- oder Kopierkosten in Rechnung zu stellen. Spitz heißt es weiter: „Der Kommission ist bekannt, daß in Deutschland etwa beim Kauf einer Briefmarke (...) die Arbeitszeit des jeweiligen Bediensteten dem betroffenen Bürger nicht anteilig in Rechnung gestellt wird.“

Doch die Hamburger Umweltbehörde zieht sich den Schuh nicht an: „Briefe an das Außenministerium kommentieren wir nicht. Und schon gar nicht, wenn dazu keine Antwort aus Bonn vorliegt und es sich um ein schwebendes Verfahren handelt“, beharrt man in der Pressestelle stur auf dem Umweltbehörden-Standpunkt. hh

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