: Wenn der Senator Peanuts zählt
■ Vertrauliches Behördenpapier: Finanzierung für Altenwerders Hafen völlig ungesichert / Nur noch 836 Millionen Mark fehlen Von Heike Haarhoff
Wirtschaftsexperten und Opposition werden langsam nervös: Niemand hat einen Schimmer, wer die 560 Millionen Mark für die beschlossene Hafenerweiterung in Altenwerder aus dem Ärmel schütteln soll. Und am allerwenigsten weiß es die federführende Wirtschaftsbehörde: Zu diesem Schluß jedenfalls kommt, wer sich fragt, weshalb die Forderung nach einem längst fälligen Finanzierungskonzept – erhoben in einem vertraulichen Behördenpapier von Ende Mai 1995, das der taz vorliegt – immer noch nicht umgesetzt worden ist.
„Die Erörterungstermine im Planfeststellungsverfahren für die Hafenerweiterung Altenwerder sind abgeschlossen. Ein Planfeststellungsbeschluß wird in Kürze erwartet. (...) Bis zu diesem Termin muß der endgültige Finanzierungsweg geklärt werden“, heißt es unmißverständlich in dem Papier. Anfang Juni gab das Amt für Strom- und Hafenbau – wie angekündigt – grünes Licht; der Finanzierungsplan aber läßt bis heute auf sich warten. „Weil es keine Investoren gibt“, mutmaßt GAL-Wirtschaftsreferent Detlev Grube.
Doch diese Blöße kann sich die Wirtschaftsbehörde nicht geben: „Der Senat wird der Bürgerschaft rechtzeitig ein Finanzierungskonzept vorlegen“, lautet der Standardsatz, mit dem jüngst der großen Anfrage verschiedener CDU-Abgeordneter zu „Finanzierungslücken, Planungsverzögerungen und rechtlichen Risiken der künftigen Hafenentwicklung“ ausgewichen wurde. Die gleiche unbefriedigende Antwort hatte GALier Alexander Porschke bereits vor knapp einem Jahr erhalten, und auch am 6. Juli diesen Jahres, bei der Vorstellung des Haushalts für 1996, fiel Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus nichts Originelleres ein, als die Öffentlichkeit zu vertrösten.
„Seit der Einbringung des Haushalts 1995 in die Bürgerschaft ist unklar, wie das Projekt finanziert werden soll, da in der Mittelfristigen Finanzplanung 1994 bis 1998 mit 284 Mio. DM nur etwa die Hälfte der benötigten Mittel ausgewiesen ist“, fürchten die CDU-Abgeordneten Hans Jakob Kruse und Barbara Ahrons. Dadurch werde die „vom Senat angekündigte ,Ausrichtung des Hafens zum logistischen Zentrum' gefährdet“. Unklar ist, welche Investoren die Restsumme (276 Millionen Mark) für Flächenherrichtung, Hochwasserschutz, Öffnung der Alten Süderelbe und sonstige Infrastruktur aufbringen sollen. Vielleicht werde ja die Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG (HHLA) als öffentliches Unternehmen zur Kasse gebeten und zum Verkauf von Teilen der Speicherstadt genötigt, spekulieren Experten.
Ebenso fraglich ist, wer die Finanzierung der Suprastruktur übernehmen soll. Deren Kosten „belaufen sich erfahrungsgemäß mindestens auf die gleiche Summe wie die Kosten für die Bereitstellung der Flächen und der Infrastruktur“, erteilte der Senat im August 1994 bereitwillig Auskunft. Macht nach Adam Riese 836 Millionen fehlende Mark (neudeutsch: Peanuts). Trotzdem sollen Ende des Jahres die Bagger anrollen.
Doch des Wirtschaftssenators Glaube an die Finanzierbarkeit ist unerschütterlich: „Zentrales Element der Wirtschaftspolitik sind Erhalt und Ausbau der Vertrauensbasis“, versucht er, Bedenken und Zweifel mit dem Prinzip „Hoffnung“ zu zerstreuen.
Leider steht er mit diesem Optimismus ziemlich allein da.
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