: Die neue Kreuzberger Lehre
■ Durch den Zusammenschluß von kleinen und mittleren Betrieben, die sonst allesamt nicht ausbilden, entstehen in Kreuzberg derzeit 100 neue Ausbildungsplätze. Vergabe im Juli
Der Verein „Kreuzberger Kreis“ will in diesem Jahr 100 zusätzliche Ausbildungsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen schaffen. Dem Verein, der im vergangenen Jahr auf Initiative der Kreuzberger Elektronikfirma Visolux entstanden ist, gehören inzwischen 60 Betriebe an. Mit Unterstützung des Senats, des Bezirks und des Arbeitsamts haben sie ein in Berlin bislang einzigartiges Projekt zur Schaffung neuer Lehrstellen auf die Beine gestellt, das im vergangenen Jahr erstmals 210 Jugendlichen einen Ausbildungsplatz – von der Energieelektronikerin bis zum Bürokaufmann – bescherte.
Der Trick: Kleine Unternehmen, die sich keinen Ausbildungsplatz leisten oder nicht alle Bereiche einer Berufsausbildung anbieten können, ergänzen sich gegenseitig in einem Verbund. Fehlende Angebote – zum Teil auch die gesamte Grundausbildung, die für die Betriebe unergiebig ist – bietet zudem ein Ausbildungszentrum an. Und: Die Firmen bezahlen den Azubi nur für die Leistungen, die er wirklich im Betrieb erbringt. Den restlichen Teil der Ausbildungsvergütung übernimmt die öffentliche Hand.
„Der Auszubildene verbringt ja nur einen Teil seiner Ausbildung wirklich im Betrieb“, erklärt Ulrich Heuke, Geschäftsbereichsleiter bei Visolux und Vorstandsmitglied des Kreuzberger Kreises. „Er ist in der Berufsschule, auf Lehrgängen, fährt in Urlaub, ist krank.“ Für viele kleine Unternehmen lohne sich daher unter regulären Bedingungen die Einstellungen eines Auszubildenden nicht. Heuke: „In unserem Modell sieht das anders aus.“ Im Klartext heißt das nach Berechnungen des Kreuzberger Kreises: Ein dreieinhalbjähriger vollständiger Ausbildungsplatz kostet den Betrieb statt 80.000 nur 20.000 Mark.
Doch nicht nur für die Betriebe, auch für die Jugendlichen habe diese Art der Ausbildung einen großen Vorteil: „Wir machen keinen praxisferne Ausbildung in einem Elfenbeinturm“, so Heuke, „die Jugendlichen müssen sich auch im Betrieb bewähren.“ Finanziert wird das Lehrstellenprojekt aus vielen Töpfen: Zwei Millionen kommen von den beteiligten Firmen, eine Million vom Hauptsponsor Visolux, 16 Millionen von Senat, Bezirk und Arbeitsamt.
Einen „Glücksfall für Kreuzberg“ nennt Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) das Engagement des Kreuzberger Kreises und spart nicht mit Lob für die Firma Visolux. Diese stellt in diesem Jahr nicht nur selbst 15 zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung, sondern ist Motor des Vereins. Schulz: „Deshalb ist es schwierig, dieses Modell auf andere Bezirke zu übertragen, wo es einen solchen Hauptakteur nicht gibt.“
Vergeben werden die 100 Ausbildungsplätze des Kreuzberger Kreises in einer großen Aktion, die vom 10. bis 12. Juli am Urbanhafen stattfindet. Dort sollen sich Unternehmen vorstellen, über ihre Ausbildungsplätze informieren und gleichzeitig Bewerbungen entgegennehmen. Sabine am Orde
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