piwik no script img

Das Totenglöckchen läutet für die Basiskirche

■ Die traditionelle Gegenveranstaltung, der „Katholikentag von unten“, fand in Mainz kaum Interesse: Starke Konkurrenz sowie Toleranz von oben nehmen der Initiative die Legitimation

Mainz (taz ) – Noch am Montag herrschte im Fußballstadion hinter dem Bahnhof großer Jubel: Der FSV Mainz 05 feierte, weil er wieder einmal dem Abstieg aus der 2.Bundesliga entronnen war. In der folgenden Woche, beim „Katholikentag von unten“ neben dem Stadion, wurden die Gesichter immer länger: Weit weniger Menschen als erwartet fanden den Weg zur traditionellen Gegenveranstaltung der Katholikentage. Die Initiative von Basischristen und Kirchenkritikern steht in ihrer gewohnten Form vor dem Aus.

Am Programm und den Gästen lag es nicht, daß die Veranstaltungen im 1.000-Plätze-Mietzelt teilweise weniger als 100 Interessierte anzogen. In der gewohnten Mischung aus theologischen und politischen Fragen hatte die 1979 gegründete „Initiative Kirche von unten“ auch für Mainz Themen wie Asylpolitik, Reichtumsverteilung oder Frauenrechte in der Kirche vorbereitet; die vom Vatikan strikt verbotene Abendmahlsgemeinschaft mit Protestanten, Anglikanern und Altkatholiken wurde öffentlich und provokativ praktiziert. Gäste wie der SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, die grünen Abgeordneten Claudia Roth und Christa Nickels, die Theologen Dorothee Sölle und Norbert Greinacher und Mitglieder des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ machten den Basischristen ihre Aufwartung.

Doch die Basis blieb weg. „Es fehlen die jungen Leute, die sich immer besonders für unsere Themen interessiert haben“, sagte Tom Schmidt, Sprecher der „Kirche von unten“. Da die Kirche immer mehr junge Leute verliere, nehme auch die Zahl der Interessierten an Themen der Basisinitiative ab. „Und die älteren, die schon öfter dabeiwaren, kämpfen um ihre prekären Jobs oder haben inzwischen Familie“, so Schmidt. Von den erhofften 30.000 Mark Spenden für die Organisationen gingen keine 10.000 Mark ein.

Doch den Basischristen, die zum ersten Mal 1980 auf dem Katholikentag in Berlin auftraten und bei kirchenkritischen Diskussionen etwa um die gemaßregelten Theologen Hans Küng oder Eugen Drewermann stets ein Dorn im Auge des offiziellen Treffens waren, entzieht auch die zunehmende Toleranz des offiziellen Treffens die Grundlage. Organisationen wie „Homosexuelle und Kirche“ oder „Christenrechte in der Kirche“ fanden sich im offiziellen Programm. Offiziell hieß es, auf dem Katholikentag sollten „alle Fragen diskutiert werden können“ – was mit kleinen Ausnahmen auch zutraf. „Aber wenn es uns nicht als Alternative gäbe, wäre der Katholikentag längst nicht so großmütig“, glaubt Schmidt. „Ich fürchte, der Dialog mit den Reformern wird von der Kirche dazu benutzt, sich um Reformen zu drücken.“

Der Gegenveranstaltung ist ein „Konkurrent“ im eigenen Lager erwachsen: Die „Kirchenvolksbewegung“, die innerkirchliche Reformen fordert, war in Mainz auf dem offiziellen und dem inoffiziellen Treffen vertreten. Gegen eine Unterscheidung in „liebe Kirchenvolksbewegung und böse Kirche von unten“ durch den offiziellen Katholikentag wehrt sich Kirchenvolks-Sprecher Christian Weisner entschieden: Die „bürgerliche“ Opposition des Kirchenvolksbegehrens, das für seine Reformwünsche Rückhalt weit bis in die Mitte der Kirche findet, sei von der eher linksalternativen „Kirche von unten“ nicht zu trennen.

Einen Katholikentag von unten wie gewohnt werde es beim nächsten Katholikentag in Hamburg 2000 wohl nicht mehr geben, zieht Tom Schmidt seine Schlüsse aus der Enttäuschung von Mainz. Nun müsse man eine engere Verbindung zum Kirchenvolksbegehren diskutieren – und daran arbeiten, ihre Inhalte gleichberechtigt in den offiziellen Katholikentag einzubringen. „Die Kirche von unten ist ja kein Selbstzweck“, sagt Schmidt, „wir wollen erreichen, daß die Kirche diese wichtigen Themen ehrlich diskutiert.“ Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen