: Paula und ich: Die sechste Woche
Paula und ich sind heute besonders schwanger. Das heißt: empfindlich. Denn wir sind bösartiger, niederträchtiger und moralisch durchtränkter Kritik ausgesetzt. Das heißt: eigentlich vor allem ich. Kollegin B. hält mir vor, daß ich dem „armen Tier das Los der Mutterschaft“ aufgezwungen hätte. Und das, „wo Paula doch eine Mitfrau ist“. Berechnend hätte ich den hormonell bedingten Zustand geistiger Umnachtung der Hündin ausgenutzt, um sie dem Rüden Donald zuzuführen.
Kurt fällt mir wie meistens in den Rücken. Daß ich Paula gewissermaßen zwangsverkuppelt hätte und sie sich ihren Beischlafpartner nicht hätte selber aussuchen dürfen, sei ihm so gar nicht klar gewesen. Und er habe ja schon immer gesagt, daß die Hündin bei ihm viel besser aufgehoben sei. Läge sie nicht immer zu seinen Füßen, wenn sie die Wahl hat, außer ich korrumpiere sie mit einem Leckerchen? Diesen hündischen Verrat kann ich nicht wirklich leugnen.
Wie willensstark Paula trotz ihres Zustands ist, kann ich jedoch empirisch belegen. Denn obwohl ich lautstark protestierte, ließ sich das Tier nicht davon abhalten, ein armes schwarzweißes Zwergkanninchen, das sich aus ungeklärten Umständen im Park aufhielt, zu jagen und zur Strecke zur bringen. Die Leiche wurde mir mit Triumph im Blick vor die Füße gelegt.
Die objektive Schilderung des Vorfalls brachte mir jedoch nur einen weiteren Vorwurf ein: Ich hätte die Killer-Mutter nicht ausreichend gefüttert. Gefressen hat Paula die Beute allerdings nicht. Lediglich ein paar Kanninchenhaare wurden versehentlich verschlungen. Und die hat sie hinterher wieder aus ihrem Magen gefördert. Zuhause auf meinen Teppich. sim
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