: Kein Bock auf Blutgrätsche
■ Schüler-Kick in Ost-Berlin aus Sorge vor Übergriffen abgesagt
Aus Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen haben Schüler der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule die Teilnahme an einem Fußball-Freundschaftsspiel in Hohenschönhausen abgesagt. Das für gestern nachmittag vom senatsgeförderten Fan-Projekt geplante Spiel wurde von einem Sportlehrer der Deutsch-Amerikanischen Schule abgeblasen. Die Begründung gegenüber dem Veranstalter: Nach negativen Erfahrungen von Schülern mit dunkler Hautfarbe bei Ausflügen nach Sachsenhausen und Rostock sei niemand „zu motivieren“ gewesen.
Fan-Projekt-Mitarbeiter Ralf Busche bedauert die Absage. Bei sämtlichen Freundschaftsspielen in der Vergangenheit habe es keinen einzigen derartigen Vorfall gegeben, erklärte Busche. Trotzdem könne er die Ängste der Schüler nachvollziehen. „Ob sie innerhalb Berlins begründet sind oder nicht, ist zweitrangig.“ Der stellvertretende Bürgermeister und Schulstadtrat von Hohenschönhausen, Michael Szukzewski (CDU), war dagegen voll entrüstet. Er bot den J.-F.-K.-Schülern Nachhilfe in Geographie an. „Hohenschönhausen liegt woanders als Sachsenhausen.“ Nach gemeinsamer Straßenbahnfahrt könnten die Zehlendorfer dann „entscheiden, ob sie wirklich Angst haben müssen“. Er vertrete auch die Ansicht, daß nach den vermehrten fremdenfeindlichen Übergriffen auf Berliner Schulklassen in Brandenburg Vorsicht geboten sei. Die Antwort darauf dürfe aber nicht sein, dort nicht mehr hinzufahren. „Wir können doch nicht die Mauer wieder hochziehen – egal ob durch Berlin oder ringsherum.“
Der Rektor der J.-F.-K.-Schule, Ulrich Schürmann, sagte, „ein Bündel von Gründen“ habe zu der Absage geführt. Gegenüber einem Sportlehrer hätten einzelne Schüler nach den Vorfällen in Sachsenhausen und Rostock „ein mulmiges Gefühl“ geäußert. Bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen am 20. Mai war ein dunkelhäutiger Neuntkläßler laut Rektor abgepöbelt worden, für ihn sei ein Platz in der Gaskammer reserviert.
Als weiteren Absagegrund nennt Rektor Schürmann simple Unlust. Am Tag des Spiels USA – Deutschland hätten die Schüler einfach keine Lust gehabt, von Zehlendorf nach Hohenschönhausen zum „Kicken“ zu fahren. Außerdem stünden kurz vor den Sommerferien noch so viele Klausuren an, daß die Zeit einfach knapp sei. Wenn er gewußt hätte, daß sich die gesamte Presse für den Fall interessieren würde, hätte die Schule versucht, die Begegnung zu arrangieren, stöhnte der Rektor. Man sei einfach nicht in der Lage, alle Einladungen zu multikulturellen Veranstaltungen anzunehmen. In die Ostbezirke, gibt der Rektor zu, kämen die Zehlendorfer Schüler „eher selten“. Im Unterricht werde meist nur die Stadtmitte behandelt. Weitergehende „Exkursionen“, so etwa „zum Thema der Plattenbauten in Marzahn oder Hohenschönhausen“, würden dagegen kaum durchgeführt. Plutonia Plarre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen