piwik no script img

Oh là là – perfekt gebaut

Es riecht nach Männerschweiß: Der Fußball, die Weltmeisterschaft und die Rolle der Frauen. Oder: Warum Japans Fußballer auf Teufel komm raus masturbieren müssen  ■ Von Peter Unfried

Hat ja keiner ernsthaft erwartet, daß eine Fußball-WM ein Ereignis werden könnte, das auch Frauen beinhaltet. Und nun? Sind Frauen bei dieser Weltmeisterschaft omnipräsent. Wird das Thema „Die Frau und die WM“ überraschend breit aufgearbeitet. Wie das gehen soll? Japans Fußballer zum Beispiel dürfen angeblich keine Frauen mit ins Hotel bringen. Weshalb die Spieler nun offenbar auf Teufel komm raus masturbieren – oder zu welchem Zwecke „kursieren“, wie gemeldet wird, Pornohefte?

Die Japaner sind natürlich nicht die einzigen. „Spielerfrauen“ tauchen in sämtlichen Teams hauptsächlich in einem Zusammenhang auf: Diskutiert wird, ob die Spieler die Körper von Frauen vor oder nach dem schweren Spiel rasch mal zur Triebregulierung benutzen können – oder nicht. In dieser immer wieder und ausschließlich von Männern geführten Diskussion geht es weniger um die Frage, ob die Frauen dafür zur Verfügung stehen, sondern mehr darum, ob wohl der Trainer sie den Spielern zur Verfügung stellt.

Auch im „WM-Tagebuch“ von Bild („Oh là là!“) tauchen Frauen auf, „alle zwischen 1,68 und 1,74 groß und perfekt gebaut“, was der Fachjournalist deshalb so genau erkennen kann, da er „in der ersten Reihe“ sitzt. Allerdings nicht im Stadion, versteht sich. Im Internet wird das Thema „Frau und WM“ unter www.fußball.de aufgearbeitet – dort nämlich gibt es „noch viel mehr Mädels“.

Das WM-Sonderheft des immer volkstümlich denkenden kicker wartet mit der überraschenden These auf, dem beim Essen fotografierten Nationalspieler Jürgen Kohler müsse es zwangsläufig schmecken – „angesichts seiner attraktiven Begleitung“. Das Foto des mit Frau und Kind abgebildeten Kollegen Wörns steht unter dem Motto „Bald ein Pariser“ – ein dezenter Exklusivhinweis, daß Frau Hanna Wörns als Gebärmaschine bereits ausgedient hat? Selbst die gelegentlich intellektuelle Konkurrenz von Hattrick gerät im WM-Spezialheft in der Abarbeitung des Themas Fußball und Sex derart in Erregung, daß nicht bloß an der Sichtweise auf Frauen, sondern auch an der eigenen Positionierung als Männermagazin wenig Zweifel aufkommen können.

In jener Turnhalle von Nizza, in der DFB-Fußballer und Medien kommunizieren, arbeiten auch Frauen. Sportjournalistinnen. Sie sind eine verschwindend geringe Minderheit. Wenn man ihnen bei der Arbeit zusieht, erkennt man schnell, daß sie nicht einfach ist. Ach ja, sagen sie, das ginge schon. Ihre Fragen werden tatsächlich nicht erkennbar geringschätziger beantwortet, als die der Kollegen. Es ist nur so, daß sie fast nie welche stellen. Das muß an der Atmosphäre liegen, die in diesem Mikrokosmos herrscht. Es riecht nach Männerschweiß. Könnte der Schweiß sprechen, so würde er sagen: Der Fußball gehört uns, uns, uns. Irgendwie sagt er das auch. Wollen die Frauen als Journalistinnen rezipiert werden, ist es am sichersten, sich eine geschlechtsneutralisierende Kumpelhaftigkeit anzugewöhnen. Geschafft hat frau es, wenn Kollegen in ihrer Anwesenheit über Frauen sprechen, wie sie nur in der Abwesenheit von Frauen über Frauen sprechen. Also so wie in den WM-Kolumnen von Bild über Frauen gesprochen wird. Und wohl auch in den Pornoheften japanischer Fußballer.

Der englische Nationalspieler Stan Collymore hat letzte Woche in einer Pariser Bar im Suff seine skandinavische Freundin verprügelt, einen blonden TV-Star. Collymore droht nun der Verlust eines Werbevertrages. Er sollte freilich nicht verzagen: Letztlich wird ihm so wenig passieren wie seinen frauenschlagenden Vorbildern Paul Gascoigne und George Best – oder dem deutschen Nationalspieler Ulrich Borowka. Der flog in Bremen, weil er soff. Und Gascoigne flog nicht deshalb aus Englands WM- Team, weil er Frauen schlägt, sondern mehr oder weniger, weil er zu fett und zu langsam dafür geworden ist. Ansonsten hätte das bewährte Motto auch für ihn Anwendung gefunden: Boys will be boys.

Dem Niederländer Patrick Kluivert konnte bewiesen werden, daß er einen Autounfall verschuldete, bei dem ein Mann getötet wurde. Nicht aber der starke Verdacht, mit anderen Männern eine Frau vergewaltigt zu haben. Das beschäftigte die Fußball-Welt allerdings nie so sehr, wie die Tatsache, daß er nun für zwei WM- Spiele gesperrt wurde. Ihm waren „die Sicherungen durchgebrannt“, nachdem ausgerechnet sein belgischer Gegenspieler Staelens ihn als einzig Unsensibler weit und breit mit dem unangenehmen Thema konfrontiert hatte. Das Verständnis für den armen Jungen ist groß.

Heute spielen in Bordeaux die Schotten gegen die Norweger. In der englischen Fernsehsendung „Fantasy Football“ erschien aus diesem Anlaß eine Puppe des schottischen Trainers Craig Brown. „Wir brauchen Aggressivität“, krähte diese Puppe, „jemand, der den Skandinaviern so richtig eins drüber geben kann.“ Worauf eine zweite Puppe erschien. Das war Stan Collymore. „Wir bestrafen diese Männer nicht“, schrieb Katherine Viner im Guardian, „wir schmeißen sie nicht aus den Teams, wir schicken sie nicht ins Gefängnis oder verhindern, daß sie ihr Land repräsentieren.“ Nee, nee. Reagiert wird so, wie es das Studio-Publikum tat, als in „Fantasy Football“ die Collymore- Puppe erschien. Es wurde gelacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen