: Im öffentlichen Nahverkehr ist nicht allesöko
■ betr.: „Ich bin ein richtiger Bus- Fan geworden“ taz v. 8. 6. 98)
In Ihren Beiträgen werden bei Ihnen genau jene Scheuklappen deutlich, die Sie sonst anderen so gerne anhängen. Ein schönes Beispiel: Sie sprechen von stinkenden Selbstbewegern (offensichtlich Autos) gegenüber dem bequemen Bewegenlassen. Wenn Sie damit z.B. den Stadtbus meinen, hinter dem Sie offensichtlich noch nie hergefahren sind, müßten Sie ehrlicherweise zugeben, daß diese Fahrzeuge häufig die größten Rußmengen emittieren, also am meisten „stinken“. Wenn Sie hingegen Straßen- oder Eisenbahn meinen, müßten Sie hier fairerweise sagen, daß auch deren Antriebsstrom nicht aus der Steckdose kommt, sondern zu ca. 70 Prozent aus fossil betriebenen Kraftwerken, die Schwefeldioxid (wird von Autos kaum emittiert) und auch Stickoxide sowie natürlich auch Kohlendioxid emittieren. Wenn dieser Strom, wie heutzutage noch weitgehend der Fall, aus nicht kraft- wärme-gekoppelten fossilen Kraftwerken kommt, ist hier der Wirkungsgrad in der Prozeßkette von Energieerzeugung, -transport und -nutzung geringer als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Zu ca. 30 Prozent aber fahren die Bahnen mit Strom aus Atomkraftwerken, d.h., wenn Sie mit der Straßenbahn fahren, fahren Sie mit Atomstrom! Ein weiteres Beispiel: Es werden eben, wie Sie so schwärmerisch schreiben, Leute wie ich keine Bus-Fans, wenn sie in Bussen und Bahnen fahren müssen, die vollgeschmiert und verdreckt sind (wie eigentlich alle Busse und die meisten Bahnen), wo Sie im Winter Glück haben, wenn Sie ohne Grippe wieder raus kommen, weil Sie gerade zigmal angehustet wurden, oder wenn Sie sich gerade mit nasser Hose von einem Sitz erhoben haben, den vorher jemand vollgepinkelt hatte (ist mir und meiner Familie alles passiert). Diese Mißstände sind systemimmanent bei einem Massenverkehrsmittel, weil sich niemand für den öffentlichen Besitz verantwortlich fühlt.
All diese Nachteile des „bequemen Bewegenlassens“ hätten Sie bei Ihrer Werbekampagne für den ÖPNV auch ruhig mal erwähnen können, wenn Sie keine Scheuklappen hätten. Ich bin nun gespannt, ob Sie wenigstens diese Kritik veröffentlichen. J. Beyersdorf, 38122 Braunschweig
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