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„Rossi ist tot und das Projekt auch“

Während es bei der Bebauung am Potsdamer Platz in den Endspurt geht, wird der benachbarte Leipziger Platz nach dem Scheitern der Kottmair-Pläne für die nächsten Jahre weitgehend eine Brache bleiben  ■ Von Ansgar Oswald

Während auf der anderen Straßenseite der Potsdamer Platz emsig gebaut wird, steht am Leipziger Platz das Mosse-Palais einsam in der Sandwüste. Ein Umstand, an dem sich in absehbarer Zeit nichts ändern wird. Zwei Drittel des Platzes sind noch ohne Planung. Ein Realisierungswettbewerb für vier Grundstücke, der Mitte März entschieden wurde, hat für vier weitere Bauten am oktogonen Platz Baureife geschaffen. Damit ist erst für fünf von insgesamt zwölf Grundstücken sicher, daß sie bebaut werden.

Einen herben Rückschlag hat die Beplanung des Leipziger Platzes erhalten, als das Projekt der Münchener Investoren Isolde und Peter Kottmair Anfang März dieses Jahres platzte. Auf den 27.000 Quadratmetern im nordöstlichen Winkel des Platzes war an der Stelle des ehemaligen Wertheim- Kaufhauses ein Palast für das Show-Theater Cirque du Soleil sowie Wohn- und Geschäftshäuser geplant. Gebaut werden sollte der nach Plänen des verstorbenen Architekten Aldo Rossi. Doch aus dem bunten Fassadenwelt wird nichts.

„Aldo Rossi ist tot und das Projekt auch“, erklärte Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit am Mittwoch abend anläßlich der turnusmäßigen Architekturgespräche der Senatsbauverwaltung. Folglich dürfte das Bauensemble kaum im Jahr 2001 vollendet werden können, wie Jakubeit noch im Frühjahr erklärte. Das größte an einen Investor vergebene Grundstück am Leipziger Platz werde laut Jakubeit kleinparzelliert vergeben und auch ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben. Zunächst aber müsse mit der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft verhandelt werden, an die das Areal wieder zurückgefallen ist.

Mit anderen Worten, nichts ist klar, und alles ist offen. Auf Befürchtungen von seiten des Unternehmens debis/Daimler-Benz, daß die Brache am Leipziger Platz die ab dem Herbst am Potsdamer Platz ersehnten Stadtbürger und Mieter abschrecken könne, reagierte Jakubeit mit Achselzucken.

Mit Verve wußte dagegen Jakubeit die historischen Bezüge der 1732 im Zuge der barocken Erweiterung der Friedrichstadt entstandenen Räume Pariser, Leipziger und Mehring-Platz – ehemals Belle-Alliance-Platz – zu umreißen, die sich einander ergänzen und durch Straßen wie Punkte eines Koordinatensystems einander verbunden waren.

In diesem System habe das Oktogon des Leipziger Platzes als architektonisch homogen gestalteter Ort und Pendant zum Pariser Platz als der klassischen „guten Stube“ Berlins seine Rolle definiert. Der Realisierungswettbewerb vom März hatte daher nach Vorgabe des Bausenators Jürgen Klemann auch nichts anderes als „die gezielte architektonische Gestaltung des Leipziger Platzes in seiner historischen Form“ zum Ziel. Doch diesen Anforderungen, so Kritiker, trüge das Resultat nicht im mindesten Rechnung.

Heftig kritisierten der Architekturtheoretiker der TU Dresden, Falk Jaeger, und Annette Ahme, Vorsitzende der Gesellschaft Historisches Berlin, das Wettbewerbsresultat als „Architektur eines vorauseilenden Gehorsams“. Disziplinierte Einfallslosigkeit und DIN-normierte Langeweile sei da abgeliefert worden. Angesichts von Fassaden aus fließbandgefertigten Edelplatten, so ein Diskutant, werde es langsam schwer, die Nörgelei an der Plattentechnologie der DDR zu rechtfertigen.

„Disziplin“ sei ja gut und recht, aber „erst Disziplin und Phantasie schaffen Ästhetik“, dozierte Ahme. Falk Jaeger empfahl, einmal „unliebsame Architekten zum Zuge kommen lassen“. Er könne sich so was wie das gläserne taz- Gebäude von Gerhard Spangenberg gut am Leipziger Platz vorstellen. Spangenberg hatte im Wettbewerb gegen Kleihues verloren. Zwischen Mosse-Palais, das als Muster für die architektonische Möblierung des Platzes dient, und dem geplatzten Rossi-Bau habe er, so Jan Kleihues, „etwas Autonomes schaffen wollen“. Ahme verwies darauf, daß die Architekten Bellmann & Böhm mit den neuen Hackeschen Höfen bewiesen hätten, daß interessante Ensemblearchitektur möglich sei, wenn nicht alles dem „Diktat der Kante“ unterworfen sei.

„Nicht der städtebauliche Entwurf von Hilmer und Sattler ist das Problem, sondern der Bebauungsplan“, stellte die Frau des stadtbekannten Rechtsanwalts und Investors Karlheinz Knauthe fest. Dieser baut selber am Leipziger Platz sein neues Kanzleigebäude. Der Bebauungsplan enge die Architekten ein und schaffe eine Tristesse wie in der Friedrichstraße, in der nirgendwo ein Auge hängenbleibe. Ein Umstand, der neben der städtebaulichen Rolle eines Platzes, nach Meinung von Erhard Ellenberg (DG Immobilien), letztlich auch negativ auf die Marktchancen einer Immobilie zurückfalle. Doch die Antwort auf die Kernfrage, welche Rolle der Leipziger Platz nun im Konzert der Plätze einnehmen solle, blieb im rhetorischen Nachhutgefecht über die Architekturästhetik auf der Strecke.

Daß noch zwei Drittel der Fläche unbeplant sind, zeigt, daß es an der Zeit ist, daß „die Stadt ihre Augen aufschlägt“ (Gerwin Zohlen) und ein adäquates Ersatzkonzept für den Theaterpalast Rossis findet. Denn die Nutzung, so Ellenberger, solle sich dann auch in der Architektur widerspiegeln.

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