piwik no script img

„Irgendwo scheppert was“

Wer sich ungern bewegt, kann seine knarzenden Fahrradketten ambulant behandeln lassen: Der „bike-doctor“ kommt ins Haus  ■ Von Christine Holch

Die Kette knarzt noch genauso unschön, das Hinterrad ist immer noch luftleer, und auch der Unwille zur eigenhändigen Reparatur hat mit dem Fahrrad überwintert. Ein klarer Fall für Hans Petschulat. Der mobile bike-doctor kommt wie ein Hausarzt zum Patienten nach Hause. Samt pinkfarbenem Werkstatt-Fahrrad und rund 50 Werkzeugen.

Schwierige Operationen macht Petschulat allerdings nur stationär: Kettenblätter wechseln etwa, einen dicken Achter beheben, das Tretlager auswechseln oder eine Speiche ersetzen – „ich kann ja nicht 100 verschiedene Speichen dabeihaben“. Ambulant lassen sich dagegen Reifen flicken, Schaltungen einstellen, Ketten wechseln oder Bremszüge einziehen.

Der 40jährige, der den Radladen „Flottbike“ in Flottbek betreibt, hat die Idee aus Düsseldorf im Franchise-System übernommen. Vorteil für ihn: Er kann sich neue Kundenkreise erschließen, kann schwache Zeiten im Laden ausgleichen, und er spart Lagerraum – im Laden stehen dann nur noch die schweren Fälle. Mittlerweile gibt es in acht Städten mobile Fahrrad-Doktoren.

Für die Anfahrt in die nähere Umgebung seines Ladens (Bahrenfeld, Flottbek, Othmarschen) berechnet Hans Petschulat 15 Mark. Die Reparatur eines platten Vorderreifens kostet dann insgesamt etwa 35 Mark (inklusive neuem Schlauch). Für weitere Anfahrten, etwa nach Eimsbüttel, fallen 25 Mark an, nach Rotherbaum bis zu 35 Mark.

Durchschnittlich zahle der Kunde aber nicht mehr als für die Reparatur im Laden, sagt Petschulat. Denn die Reparaturstunde, die er bis auf die Minute genau abrechnet, kostet im Laden 72 Mark, beim Hausbesuch jedoch nur 60 Mark, da keine Raumkosten anfallen. Es lohnt sich also, den bike-doctor kommen zu lassen, vor allem, wenn gleich ganze WGs, Familien oder Hausgemeinschaften ihren Fuhrpark verarzten lassen.

Genieren muß man sich übrigens mit keinem noch so maroden Rad vor Petschulat. Klapprige Mühlen sind sein täglich Brot. Rennradbesitzer kaufen meist nur Ersatzteile, reparieren aber selbst. Was Petschulat allerdings gleichermaßen freut wie verdutzt: „Die leichten Reparaturen, die ich als bike-doctor mache, sind alles Sachen, die die Leute früher selbst gemacht haben.“ Heutige 14jährige könnten zwar am PC die Erdkrümmung ausrechnen, aber kein Vorderrad ausbauen. „Neulich kam einer, der sagte: ,Irgendwo schleift es.' Auf die Idee, mal beim Schutzblech nachzuschauen, kam er nicht.“

Hingegen kennt Petschulat so manche patente alte Dame, die Platten selbst flickt. Schließlich war samstags mit Vattern immer „Putz- und Flickstunde“. Nur die Drei-Gang-Schaltung gab's damals eben noch nicht. Dafür läßt sie den bike-doctor kommen.

Was aber, wenn man nicht mal die Zeit hat, den gelernten Feinmechaniker zu empfangen? Hausbesuche werden schließlich nur zu den üblichen Geschäftsöffnungszeiten gemacht. „Ach, da hatten wir neulich so einen schwerbeschäftigten Menschen, dem die Bremsklötze geklaut worden sind – der hat einfach den Schlüssel unter den Sattel geklebt.“

Servicenummer des bike-doctors: 89 07 06 06, Mo-Fr 10-13 & 15-18.30 Uhr, Sa 10-14 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen