Alles, alles wäre gut

Trotz oder gerade aufgrund des 4:0-Siegs gegen Saudi-Arabien wächst der Druck auf Frankreichs Team, dem aber vor allem immer noch ein kühler Torjäger fehlt  ■ Von Christoph Biermann

Paris-St. Denis (taz) – Naive Begeisterung und manisch-depressive Stimmungsumschwünge sind gemeinhin Attribute, die in der Welt des Fußball den exotischen Newcomern aus Afrika und Asien zugeschrieben werden. Die alten Mächte hingegen überzeugen vor allem durch eine kontrollierte Verausgabung, wie sie bei dieser WM bislang besonders meisterhaft das deutsche und brasilianische Team betrieben haben. Die Spiele der französischen Mannschaft und dabei besonders das 4:0 gegen Saudi- Arabien fallen nicht in diese Kategorie. Unter dem Druck einer Öffentlichkeit, die ihre Mannschaft auf einer Welle von Toren zum Titel surfen sehen will, spielt das französische Team einen überhitzten Fußball, der Opfer kostet.

„Alles wäre gut, wenn Dugarry sich nicht verletzt hätte“, setzte Nationaltrainer Aimé Jacquet seine Analyse des Spiels an. Der bei den Fans heftig umstrittene Stürmer (nur 4 Treffer in 25 Länderspielen), fällt nach dem Zusammenprall mit einem Saudi für zwei Wochen aus. „Und außerdem wäre alles gut, wenn Zidane nicht vom Platz gestellt worden wäre“, führte Jacquet weiter aus, der die rote Karte für seinen Spielmacher völlig berechtigt fand. „Fußball sollte eine gute Show sein, und dazu gehört auch, daß man sich beherrschen kann.“ Zidane hatte nach einem Zweikampf dem gegnerischen Mannschaftskapitän im Weglaufen gegen den Oberschenkel getreten. „Die rote Karte war nicht verdient. Ich habe zwar etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen, nur war es nicht bösartig“, verteidigte sich der Star der französischen Mannschaft. Außerdem klagte Zidane, hätte er „die Nase davon voll gehabt, immer wieder Tritte einstecken zu müssen“.

Vor allem diese Beschwerde bestärkt all jene Kritiker, die Zidane für einen in entscheidenden Momenten nicht nervenstarken Spieler halten. Und entscheidend für die Akzeptanz beim französische Publikum ist jeder Auftritt ihrer Mannschaft, selbst gegen so schwache Gegner wie Saudi-Arabien. Die Fans zwingen ihrer Mannschaft Triumphe auf und damit, mehr zu leisten als nötig wäre. Unter dieser Belastung wirkten das französische Spiel gegen Saudi- Arabien trotz des bislang höchsten Sieges bei dieser WM und einem halben Dutzend weiterer bester Chancen eher angestrengt und ruckelig als flüssig und frei.

Selbst der Umstand, daß sie bereits nach 19 Minuten in Überzahl spielten, änderte daran wenig. Die Equipe Tricolore profitierte vor allem vom verheerenden Stellungsspiel der Saudis auf den Außenbahnen und später von groben individuellen Patzern des Gegners. Trotzdem fehlt den Franzosen trotz allerlei Wirbeleien im Angriff nach wie vor ein kühler Torjäger, woran auch die sehr gute Leistung und die beiden Tore des erst 20jährigen Thierry Henry nichts ändern. Das Publikum im Stade de France jedoch wollte sich mit solchen Feinheiten nicht weiter beschäftigen. Es hatte seinen Sieg bekommen, vier Tore bejubeln dürfen und stimmte begeistert die „Marseillaise“ an. Im nächsten Spiel dürfen es dann ruhig fünf Treffer sein und am 12. Juli der Weltmeistertitel. Zidane darf sich bis dahin um die Befindlichkeit seiner Nerven weiterhin Sorgen machen.

Saudi-Arabien: Al-Deayea – Al-Jahni (76. Al-Dossari), Al-Khilawi, Zubromawi, Sulimani – Al-Sharani, Amin, Khamis Al-Owairan, Saleh – Saeed Al-Owairan (33. Al- Harbi), Al-Jaber

Zuschauer: 80.000

Tore: 1:0 Henry (36.), 2:0 Trezeguet (68.), 3:0 Henry (79.), 4:0 Lizarazu (87.)

Rote Karten: Al-Khilawi (19.) wegen groben Foulspiels, Zidane (70.) wegen Tätlichkeit

Frankreich: Barthez – Thuram, Blanc, Desailly, Lizarazu – Deschamps, Boghossian – Zidane – Henry (80. Pires), Dugarry (30. Trezeguet), Diomede (58. Djorkeff)