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Von Klischees umschlossen

■ Vom Exil geprägte bosnische Biographien in "...es gibt wieder Krieg", 23.45 Uhr, ARD

Im ersten Bild sehen wir Slavica, die nach Sarajevo zurückkehrt. Sie schaut auf die Trümmer, die zerbombten Häuser, und Tränen rinnen über ihre Wangen. Und die Kamera umkreist sie, begierig, uns diesen Moment der Erschütterung möglichst effektiv zu vermitteln: wie ein Raubtier, das sich auf seine Beute stürzt.

Slavica, vielleicht 30 Jahre alt, floh nach Deutschland, als der Krieg begann. In Sarajevo war sie Journalistin, in München schlug sie sich als Verkäuferin in einem Fischimbiß durch. In Deutschland, sagt sie später, „hatte ich nichts: keine Freunde, keine Arbeit, keine Sprache. Ich war wie ein Neugeborenes mit einem Sack Steinen auf dem Rücken.“

Alle Geschichten, die Marc Wiese und Michael Möller für ihren Dokumentarfilm recherchiert haben, sind es wert, erzählt zu werden (und bräuchten im übrigen einen besseren Sendeplatz). Es ist etwa die Geschichte von dem Paar, sie Serbin, er Muslim, das, mit zähem Willen ausgestattet, allen Widrigkeiten zum Trotz zurückkehrt. Oder die Geschichte vom Scheitern: Ein Rechtsanwalt, in Bosnien einst ein einflußreicher Mann, lebt heute in einem Container bei Hamburg und weiß nichts mit seinem Leben anzufangen; seine ganze Hoffnung ist sein Sohn, der in die USA gehen will. Dann ist da eine Weltenbummlerin, die beschließt, seßhaft zu werden, und ihre Wurzeln in einem bosnischen Bergdorf sucht. Und eben die Lebensgeschichte von Slavica, die in Sarajevo wieder als Journalistin arbeitet und merkt, daß zwischen jenen, die ins Exil gingen, und jenen, die dablieben und den Krieg miterlebten, ein tiefer Graben verläuft.

Diese Biographien sind es wert, festgehalten und angeschaut zu werden. Denn wir können darin etwas erkennen: Wenn wir auf die Geschichten nur mit einem Blick schauen, der aus der geschützten Normalität, aus einer Position der Macht auf die Ohnmächtigen blickt, begreifen wir nicht viel. Wer genau zuhört und hinschaut, versteht, daß das Exil eine existentielle Erfahrung von Fremdheit ist, etwas anderes als unser Mitleid braucht.

Leider hapert es bei dem Film an der Umsetzung: Die Regisseure Wiese und Möller haben so ziemlich alles in die 90 Minuten gepackt, was heute in ein marktgängiges TV-Feature zu gehören scheint. Da ist ein Off-Kommentar, der immer alles weiß, und zwar besser. Und sobald es einem der Protagonisten dann doch einmal die Sprache verschlägt, wird flugs ein Zwischenschnitt einmontiert. Nur keine Pausen zulassen! Wenn Bosnien ins Bild kommt, sieht man meist Trümmerlandschaften, Hubschrauberrotoren donnern, und stets ertönt ein bedrohlicher Synthesizersound. Wenn Friedhofskreuze gezeigt werden, bleibt uns die pflichtgemäße Oboe nicht erspart. Diese Arrangements sind Klischees, in denen die Erfahrungen der Menschen eingeschlossen sind wie in Bernstein.

„...es gibt wieder Krieg“ reiht die Episoden zudem ziemlich planlos aneinander, schematisch, wie Perlen auf einer Kette. Schlimmer noch ist jene Ästhetik der Ablenkung: Die angeberische Kamera, die trostlose Musik, die wie ein Geschmacksverstärker funktionieren soll, der besserwisserische Off- Kommentar. Denn all das verrät, daß die Regisseure ihren Figuren nicht zutrauen, ausreichend interessant zu sein. Eine Fehleinschätzung. Stefan Reinecke

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