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„Bürgerrechtler“ ist ein Etikett

Auf einem von der konservativen Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten Bürgerrechtler-Kongreß wird deutlich, daß viele der einstigen Weggefährten aus der DDR heute keine gemeinsame Sprache mehr finden  ■ Aus Leipzig Dieter Rulff

Bärbel Bohley hat schon kurz nach der Wende gewarnt. Die klügste Möglichkeit, eine störende Bürgerbewegung unschädlich zu machen, sagte sie, sei, sie als Aushängeschild für die eigene Partei zu benutzen. Daß die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung gestern zu einem „Bürgerrechtler- Kongreß“ ins Leipziger Gewandhaus lud, zeugt so gesehen von einer gewissen Klugheit.

Der Ort, der Zeitpunkt, die Teilnehmer – alles stimmte. Leipzig gilt als Geburtsstätte der friedlichen Revolution von 1989; in drei Monaten ist Bundestagswahl, und die Schwierigkeiten der CDU sind im Osten am größten; und schließlich sorgten die Referenten für die parteiübergreifende Ausstrahlung, die sich mit dem Titel „Bürgerrechtler“ verbindet: Vera Lengsfeld und Rainer Eppelmann von der CDU, Konrad Weiß und Gerd Poppe von den Grünen sowie die aus Sarajevo angereiste Bärbel Bohley.

Es spricht wohl für die noch größere Klugheit Bärbel Bohleys, daß sie sich auch durch diese Veranstaltung nicht überflüssig machen ließ. Sie vermied in ihrem Statement die Auseinandersetzung mit der PDS und wich danach entnervt allen Fragen aus, die sie immer wieder auf die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur festnageln wollten. Die Geschichte laufe auch ohne sie weiter, sagte Bohley, siehe Stolpe, siehe Gysi. Welche Bedeutung die Bürgerrechtler haben? Schon die Frage fand sie komisch. Es gehe doch, sagte sie, um die Verwirklichung von Menschenwürde. Deswegen arbeitet sie seit zwei Jahren in Sarajevo.

Bärbel Bohley steht für eine unabhängige Bürgerbewegung. Ihre langjährige Mitstreiterin Vera Lengsfeld hingegen verkörpert eine andere Bürgerbewegung: Die Fixierung auf die Vergangenheit hat Lengsfeld zur blindwütigen wie nützlichen Streiterin werden lassen. Nützlich für die CDU – wütend auf die Postkommunisten der PDS, deren Wähler genau wüßten, was sie anrichten. Wütend auf die „internationale Linke“, die kein Wort des Bedauerns für die Opfer des Kommunismus findet, sondern die gescheiterten Rezepte von gestern als Lösungsmittel für die gegenwärtige Krise preist.

Blind gegenüber allen Erfahrungen redet sie von der „längst totgeglaubten nationalen Identität der Deutschen, die die 68er Linke tabuisiert“. Ein Volk, das in seiner nationalen Selbstfindung gestört werde, so Lengsfeld, neige zur Autoaggression, die sich irgendwann nach außen kehrt. Man wird Lengsfeld seit gestern auch nachsagen, sie sei blind auf dem rechten Auge. Der Rechtsextremismus, behauptete sie, sei in Deutschland keine wirkliche Gefahr mehr. Eine solche Feststellung ruft selbst unter den mehrheitlich konservativen Besuchern ein Raunen hervor.

Viele der 600 Schüler, die für diese Veranstaltung unterrichtsfrei bekommen haben, sind irritiert. Doch auf einer Pressekonferenz bleibt Lengsfeld bei ihrer Äußerung und läßt sich in ihrem Eifer auch kaum von der korrigierenden Feststellung des Generalsekretärs der Adenauer-Stiftung beeindrucken, daß zwar nicht der Bestand, wohl aber der Ruf Deutschlands durch die Rechtsradikalen gefährdet werde. Auch Konrad Weiß widerspricht Lengsfeld und weist auf den latenten Rechtsradikalismus gerade in Ostdeutschland hin. Doch das gemeinsam getragene Etikett „Bürgerrechtler“ reicht auch an diesem Tag nicht mehr aus, um eine Verständigung über elementare politische Gemeinsamkeiten zu formulieren. Von einer gemeinsamen bürgerrechtlich oder zivilgesellschaftlich geprägten Vorstellung von Zukunft ganz zu schweigen.

Auch wenn sie nicht eingeladen waren, dominierten die Genossen von der PDS mal wieder die Veranstaltung. Auch die Rede des Bundespräsidenten. Roman Herzog bemühte sich jedoch, wie bereits vor Wochen sein Vorgänger Weizsäcker, um eine Differenzierung zwischen Tätern und Mitläufern, Postsozialisten und Wählern. Sein Integrationswille ging allerdings nicht so weit, eine Einbindung der PDS in eine Regierung zu befürworten. Es spricht für die Klugheit des Bundespräsidenten, daß er sich nicht alleine von der Stiftung seiner Partei hat engagieren lassen, sondern auch bei denen der anderen Parteien auftreten wird. Und es spricht für die Bürgerrechtler, daß sie sich nicht von der CDU einbinden lassen wollen. Sie sind bereit, auch bei der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert- Stiftung oder bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung aufzutreten. Alles andere ist jetzt deren Klugheit überlassen.

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