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Sozialhilfe für geduldete Flüchtlinge bleibt doch

■ Koalition und SPD einig: Neues Asylbewerberleistungsgesetz wird deutlich entschärft. Bürgerkriegsflüchtlinge und illegal Eingereiste bekommen weiter Geld

Bonn/Berlin (taz) – Es war nur ein handgeschriebener Zettel, der gestern durch die Bundestagsfraktionen wanderte. Aber für Zehntausende Bürgerkriegsflüchtlinge bedeutete der Schrieb große Erleichterung. Mit dem hingeworfenen Halbsatz: „Nr. 3 gestrichen“ ist ein Passus vom Tisch, der in den vergangenen Wochen für heftigen Streit in der Bonner Regierungskoalition gesorgt hatte. Danach hätten geduldete Bürgerkriegsflüchtlinge unter bestimmten Bedingungen künftig keine Leistungen vom Sozialamt mehr bekommen. Die Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes verzichtet auf diese Verschärfung. Gestern passierte sie den Innen- und Gesundheitsausschuß des Bundestages auch mit den Stimmen der SPD. Nach der gestern präsentierten Änderung sollen die Sozialleistungen künftig nur bei jenen ausreisepflichtigen Ausländern gestrichen werden, die beispielsweise Ausweispapiere vernichten oder wechselnde Angaben zu ihrer Identität machen, um eine Rückkehr ins Heimatland zu verhindern.

Ursprünglich war darüber hinaus geplant, die Sozialleistungen auch bei Menschen zu kappen, die illegal eingereist sind. Daneben sollten Ausländer, die „nicht freiwillig ausreisen, obwohl ihrer Ausreise keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen“, keine Stütze mehr bekommen. Die letzte Verschärfung hätte rund 150.000 bosnische Flüchtlinge getroffen. Beide Passagen sind jetzt vom Tisch. Die FDP hat sich damit gegenüber der CDU/ CSU-Fraktion durchgesetzt. „Auch wir können mit dem Entwurf leben“, sagte die ausländerpolitische Sprecherin der SPD- Fraktion, Cornelia Sonntag-Wolgast, gestern. Am Donnerstag soll über die Neufassung im Bundestag abgestimmt werden.

Die Streichungen betreffen jetzt noch etwa 25.000 bis 30.000 Ausländer, erklärte gestern Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU). Die neuen Bestimmungen haben vor allem „Signalcharakter“, bringen aber kaum Einsparungen, lautet die einhellige Meinung. Danach kann die Stütze versagt werden bei Menschen, die sich – so die Formulierung – „in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen“. Der konkrete Nachweis, ob Asylbewerber nur eingereist seien, um Sozialleistungen zu kassieren, sei aber kaum zu führen, erklärte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Heiner Geißler gegenüber der taz. Entscheidender sei die Passage, nach der Ausländer keine Sozialleistungen mehr bekommen, „bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können“. Darunter fielen beispielsweise Leute, die ihre Pässe vernichteten und auch nicht daran mitwirkten, neue Papiere zu bekommen. Geißler: „Das ist eine kleine Gruppe.“

Die Bündnisgrünen beklagten gestern die „unklaren Rechtsbegriffe“ in dem Entwurf. „Der Gesetzentwurf muß vollständig zurückgezogen werden“, erklärte Andrea Fischer, sozialpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Die Passagen setzten eingereiste Ausländer einem „Generalverdacht“ des Mißbrauchs aus. Barbara Dribbusch

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