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Ängstlich –betr.: „Alle für das Volk“, taz-Hamburg vom 18.6.1998

Sie haben sich in Ihrem Kommentar, wie ich finde, in bester FAZ-Manier dazu bekannt, doch einfach das dumme Volk zu seinem Glück zwingen zu müssen. Demokratie birgt Gefahren, das ist eine Tatsache ganz unabhängig davon, ob das Volk direkt oder indirekt mitbestimmt. Ich finde ihre Anspielung darauf, ob der Wille des Volkes denn schon einfach immer der richtige sei und ob ein Glaube daran denn historisch begründet sei, nicht nur gefährlich, sondern auch nicht wirklich durchdacht. Wieso glauben immer alle, daß ausgerechnet der Parlamentarismus einen Schutz vor Faschismus oder ähnlichen Gefahren biete, wo doch gerade er es war, vor dessen Hintergrund Hitler gewählt wurde?

Zu den „paar tausend Stimmen“, die reichen würden, um die Verfassung zu ändern, wie Sie es befürchten, bleibt genauso festzuhalten, daß dies auch heute schon bei indirekter Demokratie möglich ist. Es passiert nur nicht, weil die Bevölkerung eben ihre beiden mageren Kreuze, die sie alle vier Jahre machen darf, doch sehr ernst nimmt, und ich glaube, daß Sie sich etwas vormachen, wenn Sie glauben, das wäre bei einer Verfassungsänderung mit direktem Volksentscheid anders.

Wer sich im übrigen mit dem Argument des Minderheitenschutzes gegen die Abschaffung der Mindestbeteiligung ausspricht, begreift nicht, daß die Minderheiten dann einfach von der schweigenden Mehrheit der Nichtwähler unterdrückt werden. Außerdem, glaube ich, gehen Sie damit den gelegentlich arrogant-besserwisserischen VolksvertreterInnen auf den Leim, bei denen durchaus Angst vor eigenem Machtverlust und wahrer Auseinandersetzung mit der Bevölkerung vermutet werden darf. (...)

Die Deutschen sollten endlich den Mut haben, ihre diffuse Angst vor „dem Volk“ abzulegen und sich endlich trauen zu überzeugen statt zu herrschen. Ein Volk, das wie ein mündiges behandelt wird, wählt weniger die Protestparteien.

Lutz Ulbricht

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