: Lesbenfeindlich –betr.: „Den süßen Wilhelm Wieben, den muß man einfach lieben“, taz-Hamburg vom 13.6.1998
Liebe Silke Mertins,
mit großer Verwunderung habe ich Deine Laudatio über die CSD-Eröffnungsgala gelesen. Wo war Dein kritischer Geist an diesem Abend geblieben?
Als Lesbe (privat), als Lesbentelefon-Mitarbeiterin (ehrenamtlich) und als „Berufs-Lesbe“ (Referentin des schwulenpolitischen Sprechers der GAL-Fraktion) konnte ich Deine Begeisterung für diesen Abend nicht teilen. Gegen die kulturellen Darbietungen an sich war nichts einzuwenden. Als Kulturinteressierte im allgemeinen fühlte ich mich gut unterhalten. Für Schwule war auch der Identifikationsfaktor sehr hoch, zumal sich Herr Wieben sozusagen öffentlich geoutet hat. So etwas ist begrüßenswert und wichtig für die Schwulenbewegung, wie im Applaus für ihn deutlich wurde! Bei der Eröff-nungsveranstaltung für eine lesbisch-schwule Festwoche erwarte ich allerdings anderes.
Meiner Meinung nach kann und darf es bei so einer Veranstaltung nicht vorkommen, daß weder eine lesbische Künstlerin (so weit ersichtlich) noch ein entsprechendes Programm zu sehen ist. Statt dessen mußte ich mir im letzten gemeinsamen Song (“Let it be“, auf deutsch „Aber wie“) sogar noch kleine lesbenfeindliche Spitzen anhören. Plumpe Reproduktionen von Vorurteilen (Motto: Lesben sind einfach humorlos, und lachen können sie auch nicht) sollten eigentlich spätestens seit der Gala 1997 beim CSD ad acta gelegt sein. Solche Äußerungen können zwar u.U. sogar humoristisch sein, aber nur, wenn Lesben gleichzeitig die Gelegenheit haben, sich selbst darzustellen. Aber so fand ich es nur peinlich und lesbenverachtend. Es wäre besser gewesen, diese Veranstaltung rechtzeitig ausdrücklich als die schwule Eröffnungsveranstaltung zu deklarieren. Dann hätte die Möglichkeit bestanden, eine entsprechende Eröffnungsgala mit Lesbenkulturprogramm zu organisieren. (...)
Der CSD muß sich ernsthaft fragen, wie ernst es ihm mit dem Motto dieses Jahres in Bezug auf Lesben ist. Ich bin dringend „für den Wechsel“ – insbesondere, was die Verantwortung für die Organisation und Durchführung der Gala angeht. Dr. Verena Lappe
(Lesbentelefon im MHC)
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