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Vorbei, verweht

■ Marokko scheidet trotz des 3:0 gegen die Schotten aus und beginnt mit Mythenbildung

St. Etienne (taz) – Am Ende wehte der Mantel der Geschichte an St. Etienne vorbei, fast jedenfalls. Schottland schaffte es bei der achten WM-Teilnahme erneut nicht, die Vorrunde zu überstehen. Auch Marokko nutzte der beeindruckende 3:0-Sieg nichts, allerdings wird der 23. Juni 1998 am Atlas wohl unvergessen bleiben. Die marokkanische Mannschaft übernahm an jenem Abend genau die Rolle, in der das schottische Team so vielfältig erprobt ist: unglückliches Scheitern im letzten Moment.

„Als das Spiel vorbei war, war ich sicher, daß wir im Achtelfinale sind“, sagte Rachid Azzouzi. Als der Mittelfeldspieler von Greuther Fürth eingewechselt wurde, stand es im anderen Gruppenspiel noch 1:0 für Brasilien gegen Norwegen. Mit diesem Ergebnis wäre Marokko im Achtelfinale gewesen, auch der spätere Ausgleich der Norweger hätte daran nichts geändert. „Wir haben niemals wirklich geglaubt, daß Norwegen gegen Brasilien siegen würde“, meinte Marokkos Nationaltrainer Henri Michel. „Aber offensichtlich“, so mutmaßte Azzouzi richtig, „ist es für uns tragisch gelaufen.“ „Ich habe noch nichts gesehen, sondern nur gehört, daß der entscheidende Elfmeter für Norwegen sehr großzügig gegeben worden ist“, sagte Michel. Dann hob er „aus der Tiefe meines Herzens“ zu einer donnernden Lobrede auf seine Mannschaft an, die eine „exzellente WM gespielt“ hätte.

Bei allem Pathos, Marokko spielte wirklich noch besser als in der ersten Partie gegen Norwegen und war einer schottischen Mannschaft von außergewöhnlicher spielerischer Begrenztheit deutlich überlegen.

Wieder zeigte Marokko alles, was ein gutes Team auszeichnet. Weder bei der spielerischen Leistung noch im Taktischen waren Abstriche zu machen. Und mit Bassir und Hadda, den Torschützen, verfügt die Mannschaft im Vergleich zu anderen Teams auf dem Sprung nach vorne auch über abschlußstarke Stürmer. Daß die Marokkaner überhaupt gelegentlich in Bedrängnis gerieten, hatte neben dem üblichen schottischen Kampfeswillen vor allem mit den permanenten Unsicherheiten von Torwart Driss Benzekri zu tun. An den schlechtesten Keeper der WM mag Trainer Michel auch gedacht haben, als er als Grund für das Ausscheiden „nicht auf die Niederlage gegen Brasilien, sondern die erste Partie gegen Norwegen“ verwies. Dort hatte Benzekri durch drastische Fehler zweimal die Führung verspielt.

Der marokkanische Torwart kann allerdings darauf spekulieren, daß demnächst nicht so sehr über seine Leistungen geredet wird als über den umstrittenen Elfmeter im anderen Gruppenspiel. Rachid Azzouzi deutete an, in welche Richtung das gehen könnte: „Man braucht bloß an die WM 1982 zu denken, wo durch einen müden Kick zwischen Österreich und Deutschland die Algerier rausgeworfen wurden.“ Vielleicht sollten die Marokkaner, auch wenn ihnen beim Videostudium des siegbringenden Elfmeters für Norwegen die Haare zu Berge stehen, ihre Zeit trotzdem nicht mit Mythenbildung vergeuden – und sich einen vernünftigen Torwart suchen. Christoph Biermann

Marokko: Benzekri – Saber (66. Rossi), Naybet, Triki, Abrami – Amzine (77. Azzouzi), Chippo (87. Sellami), El Hadji, Tahar – Hadda, Bassir

Zuschauer: 32.000

Tore: 0:1 Bassir (22.), 0:2 Hadda (47.), 0:3 Bassir (85.)

Rote Karte: Burley (54./Schottland) wegen groben Foulspiels

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