Held des Tages bis zum zweiten Wahlgang

■ Wie ein Student gestern beinahe Vizepräsident der Humboldt-Universität geworden wäre

Es gibt Momente, in denen auch ein Professor des Bürgerlichen Rechts seinen Augen nicht traut. Wieder und wieder zählte Rainer Schröder die abgegebenen Stimmzettel – doch der Vorsitzende des Zentralen Wahlvorstands kam immer auf das gleiche Ergebnis: 25 Stimmen für den Studenten Andreas Biesenthal, 25 Stimmen für die Professorin Ursula Schaefer.

Während die Studenten in Jubel ausbrachen, gab es bei den Professoren lange Gesichter. Bestenfalls zu einem gequälten Lächeln konnten sich die Hochschullehrer durchringen. Wie immer hatten sie das Tableau der vier Vizepräsidenten schon im Vorfeld ausgekungelt, selbst die Referentenposten bereits vor der Wahl besetzt. Kurzerhand erbaten sie sich fünf Minuten Auszeit, um die Wankelmütigen in ihren Reihen zu bekehren.

Beim zweiten Wahlgang wurde es so still wie sonst nie auf Sitzungen universitärer Gremien. Niemanden hielt es mehr auf dem Stuhl, um den Andrang an den Wahlkabinen in Ruhe abzuwarten, sofort bildeten sich lange Schlangen. „Spannung hoch drei“, raunte ein Mitarbeiterin. Doch diesmal mußte der Wahlvorstand nicht so oft zählen: 24 Stimmen für den Studenten, 27 für die Professorin.

Das Heer der Fotografen, die zuvor noch Andreas Biesenthal umlagert hatten, schwenkte um auf Ursula Schaefer. Doch Biesenthal blieb der Held des Tages. So groß war die Schar der Gratulanten, daß es fast schien, als habe er die Wahl gewonnen. Der Vorsitzende des Wahlgremiums überreichte ihm gar einen Blumenstrauß. Einen kleineren freilich als den vier Gewählten, zu denen auch der frühere SPD-Politiker Richard Schröder gehörte, der den Wahlhelfern artig seinen Personalausweis zeigte.

Nur Biesenthals improvisierte Pressekonferenz geriet dann etwas traurig. „Hätte“, „wäre“, „könnte“ – das waren die häufigsten Vokabeln. Welche Chance die Hochschule mit seiner Nichtwahl vertan habe? Das wird die Humboldt- Universität jetzt wohl nicht mehr erfahren. rab Bericht Seite 6