: Bremer Blackouts
■ Ein Moderator schwatzte dumm und mußte gehen. Der Chef tat's auch und durfte bleiben
Eine „gedankliche und sprachliche Fehlleistung“, empörte sich Detlev Albers, der Landeschef der Bremer SPD. „Schäbig“, schimpfte sein CDU-Pendant Bernd Neumann. Das war im März, als Radio-Bremen-Intendant Karl-Heinz Klostermeier vor seinem Rundfunkrat Verständnis geäußert hatte für Leute im Sender, die „nach einem Führer rufen“. Klostermeier, der darauf verwies, er habe das „unbedacht“ gesagt, entschuldigte sich und blieb. Ein Moderator in Klostermeiers Sender, dem in der Öffentlichkeit eine ähnlich geschmacklose Äußerung herausgerutscht ist, muß dagegen jetzt gehen.
Radio Bremen hat dem Moderator Peter M. (32) fristlos gekündigt. Der Entertainer hatte sich am 4. Juni, morgens kurz vor vier, in der ARD-weit übertragenen Popnacht in einem Gespräch mit einer 12jährigen zu dem Satz hinreißen lassen: „Ich hasse Anne Frank.“ Das Mädchen hatte sich bei dem Moderator über eine Hausarbeit beklagt, die das von den Nazis ermordete jüdische Mädchen zum Thema hatte.
„Dummes Zeug“, urteilte Klostermeier, als er die Beschwerde eines hessischen Hörers auf den Schreibtisch bekam, und setzte den freien Mitarbeiter kurzerhand vor die Tür. „Das Gespräch mit der Schülerin war insgesamt nicht akzeptabel“, so Klostermeiers Begründung weiter. „Wir haben uns die Aufzeichnung der Sendung angehört und hatten keine andere Wahl.“ An die eigene Äußerung im März wird der Intendant dabei offenbar nicht so gern erinnert. Die Antwort auf die Frage, warum er trotz dummer Äußerungen im Rundfunkrat bleiben darf, sein freier Mitarbeiter hingegen rausgeschmissen wird, bleibt der Intendant schuldig. Der Sender halte die Äußerungen für „nicht vergleichbar“, wimmelt Radio-Bremen- Sprecher Michael Glöckner ab. Man nehme „keine Stellung“.
Was der Moderator gesagt habe, solle man aber auch nicht überbewerten, sagt der Sprecher. Der Moderator müsse wieder „rehabilitiert“ werden. Der Satz sei ein „Blackout morgens um vier“ gewesen. Auf keinen Fall sei der Moderator rechtsradikalen Kreisen zuzuordnen. Die Frage, warum ihm gekündigt wurde, bleibt trotzdem offen.
Die Aufzeichnung der Sendung hält Radio Bremen mittlerweile unter Verschluß. Selbst auf den Fluren des Senders wissen die Kollegen nicht, was genau der Moderator gesagt hat. Der Moderator selbst sagte, er habe „in vier Jahren einmal für ein paar Sekunden ein Blackout gehabt – das passiert jedem mal“. Harald Schmidt habe ja auch „Schwabenschwuchtel“ zu Jürgen Klinsmann gesagt, Gottschalk habe Schönhuber interviewt. Die Reaktion des Senders findet er „völlig überzogen“. Er habe beim Namen Anne Frank einfach nicht an das jüdische Mädchen gedacht, sondern an langweiligen Schulunterricht.
M. war seit April 1994 freier Mitarbeiter beim Jugendprogramm Bremen 4. Dort gibt es sehr viele „Freie“, die nur eingeschränkten Kündigungsschutz genießen. In Bremen war der Moderator durch die Comedy-Sendung „Nullnummer“ bekannt geworden, wo er versuchte, Prominente durch peinliche Fragen aus der Fassung zu bringen. Der bei Jugendlichen sehr beliebten Sendung wurde zuweilen vorgeworfen, sie gehe oft unter die Gürtellinie.
Anders als die Affäre um den Intendanten hat die Entlassung des Moderators in Bremen keine Reaktion hervorgerufen. CDU und SPD interessieren sich selbstverständlich nicht für Moderatoren. Allein Theo Klinger, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands in Bremen, will sich äußern: Ein Intendant müsse „genauso behandelt werden wie ein Moderator“. Kerstin Schneider
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