: Umwelt bleibt in der BRD top-secret
Bundesregierung unterzeichnet auf der Umweltkonferenz in Aarhus Konvention zur Umweltinformation nicht. Angela Merkel verwässerte im Vorfeld entscheidende Neuerungen der neuen Richtlinie ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – „Der Konvention zur Umweltinformation sind bereits die Zähne gezogen – und der Zahnarzt will jetzt draußen bleiben?“ Dies fürchtete der BUND schon vor Beginn der Europäischen Umweltministerkonferenz, die gestern in Aarhus zu Ende ging, und so kam es denn auch. Die Zahnärztin ist Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU): Sie brachte es fertig, als einziges EU-Land die Konvention nicht zu unterschreiben, obwohl sie diese in jahrelangem Kleinkrieg entscheidend entschärft hatte.
Peinlich für Deutschland, denn insgesamt 37 der 55 Teilnehmer- Staaten der „4. Paneuropäischen Umweltkonferenz“ unterzeichneten gestern die Konvention, die Bürgern, Politikern und Verbänden den Zugang zu Umweltinformationen und eine angemessene Bürgerbeteiligung bei der Genehmigung neuer Fabriken oder Autobahnen gewährleisten soll.
Die Regelungen dazu gehen in entscheidenden Punkten über das bisherige EU-Recht hinaus. So ist zum Beispiel ein Informationsrecht gegen jede Behörde vorgesehen, nicht nur gegen solche mit umweltbezogenen Aufgaben. Die Konvention sieht außerdem – im gegebenen Rahmen der nationalen Gesetze – eine Möglichkeit der Klage von Ökoverbänden beim Verdacht auf Verstöße gegen das Umweltrecht vor, die sogenannte Verbandsklage.
Auch die EU-Kommission unterschrieb die Konvention. Ein Sprecher erklärte, man wolle für die Umsetzung der Konvention in allen 15 Mitgliedsstaaten sorgen. Merkel begründete ihre Außenseiterrolle mit ungeklärten Fragen, „vor allem der föderalen Aspekte“. Sie schloß eine Unterschrift zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus.
Seit 1995 wurde über diese Konvention beraten. Merkel gelang es in dieser Zeit, dem Entwurf drei entscheidende Zähne zu ziehen: Die Konvention gilt nicht für Freisetzungen genmanipulierter Organismen, und das Informationsinteresse der Öffentlichkleit ist generell nachrangig gegenüber „Betriebsgeheimnissen“. Außerdem entschärfte sie die ursprüngliche Idee, alle Unterzeichnerstaaten zu verpflichten, ein umfangreiches Emissionskataster direkt, etwa per Internet, zugänglich zu machen. Dies ist in der jetzigen Fassung nur noch eine Empfehlung.
Die Konvention sei trotzdem ein Meilenstein für die Demokratisierung des Umweltschutzes, sagte Michaele Hustedt, Umweltexpertin der Grünen-Fraktion. „Besonders für die BürgerInnen in Osteuropa bringt sie eine wesentliche Verbesserung.“ Nur die Deutschen hätten als einzige weniger Umweltrechte, sollte die Bundesregierung der Konvention weiterhin die Unterschrift verweigern.
Deutschlands Informationspolitik fiel auch schon beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Ungnade: Erst vor einer Woche urteilte der EuGH, das deutsche Umweltinformationsrecht von 1994 verstoße eindeutig gegen EU- Recht. Behörden würden wichtige Informationen für sich behalten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen