: Baummasken und Teichhände
„Landkultur in der Metropole“: Eine Skulpturenausstellung in den Vierlanden will Kunst und Natur zusammenbringen ■ Von Hajo Schiff
Der Hase in den Kornblumen spitzt die Löffel, und der Mäusebussard schreit: Hier ist die Natur noch weitgehend in Ordnung. Und doch sind die Äcker und Auen des alten Vierländer Hofes, im Hintergrund malerisch überragt von einer 35 Meter hohen Holländer-Windmühle, Teil des Hamburger Stadtgebiets. Aber was nützt die schönste Agri-Kultur, wenn keiner von ihr Notiz nimmt? Deshalb haben Künstler in Kirchwerder den Birken Masken aufgesetzt, ein entengrützegrüner Teich greift mit vielen Händen nach dem Himmel, und Christine und Georg Eggers veranstalten auf ihrem als Ökohof betriebenen historischen Anwesen jetzt das vierte Hof-Fest.
Zu Führungen zu Tier und Pflanze, Kinderspaß und Kutschfahrten, Basar und Bio-Genüssen aller Art kommen diesmal drei besondere Ereignisse: Der Naturschutzbund stellt den Ökorundweg vor, der Umweltsenator Alexander Porschke begrüßt die Zielankunft der Umwelt-Rallye, und die gemeinsam mit der Kunstgemeinschaft Riepenburger Mühle präsentierte Skulpturenausstellung wird eröffnet (Einzelheiten siehe nebenstehenden Kasten).
Baummasken und Teichhände sind nur zwei der Objekte der mehr als fünfzig Künstlerinnen und Künstler. Aus der Umgebung, aber auch aus Aachen, Darmstadt oder Halle/Saale sind sie gekommen und haben in einem Areal von siebzig Hektar Kunst und Landschaft zusammengebracht. Renee Pötscher singt Lieder für Kühe, abgestorbene Bäume erhalten ein Kleid aus weißen Totenhemden, und der rostige alte Pflug wird zum weit die Wiesen überschauenden „Pflug-Vogel“. Mit einem Kreis von „Baumseelen“ genannten Schnitzpflöcken wird der ohnehin idyllische Platz unter einer alleinstehenden Eiche magisch überhöht, und ein „Europator, Nordteil“, dessen südliches Gegenstück irgendwo jenseits der nahen Elbe steht, transformiert die Gedanken in die Ferne.
Am Rand einer Weide nahe der Mühle hat Götz Schallenberg, der auf einem Künstlerhof an der Grenze zwischen Mecklenburg und Brandenburg lebt, alte Scheunentore in reliefartig geritzte Stelen geformt. „Ich liebe Dich“ ist der Titel der Doppelfiguren, die durch die rostigen Armierungseisen innig und unauflösbar zusammengehalten werden, gelegentlich freudig besucht von Sam, dem quicklebendigen Müllerhund. Von kinderfreundlichem Charme und zugleich voll beißender Ironie sind die lebensgroß ausgesägten und quietschbunt bemalten Figuren von Lady Di inmitten einer Gruppe allerliebster Bambies. Dies Ensemble ist so überzogen deplaziert und kitschig, daß es hier mehr über klischeehafte Verzerrungen von Natur und Gesellschaft aussagt als einige gutgemeinte Installationen aus natürlichen Fundstücken.
Als poetische Intervention überzeugen die leichten, aus Bohnenstangen und Fliegendraht geformten Malereisäulen von Tina Stolt. Eine künstliche wilde Müllkippe von Jürgen Köser und Thilo von Heydekampf verweist neben einer Buschgruppe kritisch auf das Potential der abgelegten Dinge, die ohne zivilisatorischen Zweck wieder zu amorphem Material absinken. Die Kunst hier soll nicht nur den Landschaftsraum dekorieren, sondern auch Denkanstöße geben.
Der Organisator der Skulpturenschau ist Klaus Peters. Selbst Künstler, hat der Gründer der erst seit anderthalb Jahren bestehenden Gemeinschaft um die Riepenburger Kunstmühle einen 4,5 Meter hohen Stahlstuhl auf einen sechs Meter hohen Pfahl montiert: „Balanceakt Mensch – Natur“ heißt die Arbeit. Und getreu dem Motto, Kunst und Natur zusammenzubringen, hofft er: „Vielleicht geht nächstes Jahr der Storch drauf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen