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Einstürzende Eierschalen

Erneuter Kollaps der Sporthalle in Halstenbek sorgt für Verunsicherung und Spekulationen. Denn die Konstruktion galt als „bewährt“  ■ Von Florian Marten

Es hatte eine allerliebste Vermählung von landschaftsangepaßtem Bauen und kleinstädtischer Großmannssucht werden sollen – die 15 Millionen Mark teure erd-ummantelte neue Sporthalle in Halstenbek am westlichen Stadtrand Hamburgs. Doch seit am Freitag nachmittag das filigrane Glasdach in Zeitlupe wegsackte, stehen Gemeindeverwaltung, Architekten und Baufirmen vor einem Scherbenhaufen.

Die Ratlosigkeit war um so größer, als die gläserne Kuppel im Februar 1997 bei einem heftigen Sturm schon einmal kollabiert war. In beiden Fällen war das Dach bereits vollständig fertig – lediglich im Innern der Halle, die im August eingeweiht werden sollte, wurde noch gearbeitet. Menschen wurden nicht verletzt.

Ein provisorisches Dach, so beschlossen es Gemeinderat und Bauexperten nach einer Krisensitzung am Sonnabend, soll jetzt Niederschläge abhalten und die bereits installierte Hallentechnik schützen.

Derweil üben sich die Verantwortlichen in offensiver Ratlosigkeit. Bürgermeister Bruno Egge, Fan und Mitinitiator des auch in Halstenbek durchaus umstrittenen Projektes: „Das Ganze hat natürlich einen tiefen Vertrauensverlust zur Folge.“ Der Hamburger Architekt Andre Poitiers, Ideenspender der Eierschale, ist ratlos: „Im Moment kann sich das keiner erklären. Ob Materialversagen, ob Montagefehler, ob die Statik Lücken aufweist – das geht in den Bereich der Spekulation. Das müssen jetzt die Gutachter klären.“ Die Polizei jedenfalls ist bei ihren Ermittlungen bislang auf keine Hinweise gestoßen, die eine Sabotage nahelegen könnten.

Wie es mit der Hallenruine weitergehen soll, ist derzeit noch ungewiß. Poitiers betonte, bei der Dachkonstruktion handle es sich um ein bewährtes Verfahren, das „bereits etwa 25 Mal in Deutschland“ realisiert worden sei, unter anderem auch beim Museum für Hamburgische Geschichte. Auch wenn die konkrete Unglücksursache noch nicht feststeht, wird in der Architekten- und Ingenieursszene seit längerem heftig über die Gefahren moderner Statikberechnungen debattiert.

Die konsequente Trennung zwischen Architekt und Ingenieur hat zusammen mit der PC-unterstützten Statikberechnung zu immer gewagteren Konstruktionen ermutigt. „Praktisch jede Architekten-Idee“, so ein Insider, „läßt sich heute rechnen“. Den Computersimulationen, in denen Materialeigenschaften und vermutete Belastungen in einer Weise durchgerechnet werden, wie es vor 20 Jahren noch nicht möglich war, vertrauen auch die Bauprüfabteilungen quer durch die Republik in der Regel blind.

Bislang zumindest.

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