: "Bald mit dem ORB reden"
■ Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner über Planspiele für die ARD-Struktur und die Versäumnisse des Fernsehens im Osten
Nächste Woche beraten die Regierungschefs der Länder wieder einmal über die Zukunft der ARD. Unter anderem geht es dabei auch um die ungeklärte Zukunft rund um die Hauptstadtregion, wo der Berliner SFB kaum mehr eigenständig lebensfähig ist, wenn ihm nach dem Jahr 2000 kein Geld mehr aus dem ARD-internen Finanzausgleich zufließt. Auch beim Brandenburger ORB sieht es schlecht aus. Einen Sender für Berlin/Brandenburg will aber die Hauptstadt-CDU nicht. Derweil denken andere über größere Lösungen nach: ORB-Intendant Hans-Jürgen Rosenbauer brachte zum Beispiel ein Modell ins Spiel, nach dem Brandenburg (mit oder ohne Berlin) eine ganz neue Anstalt mit Sachsen-Anhalt aufmacht. Dazu müßte sich aber Sachsen-Anhalt aus dem MDR verabschieden, den das Land zusammen mit Thüringen und Sachsen gegründet hat, als es in allen drei Ländern noch eine CDU-Regierung gab. Andere sagen, der MDR sollte den ORB noch mit ins Boot nehmen.
taz: Wo steht Ihr Land in der Debatte um die ARD-Struktur?
Reinhard Höppner: Die Frage, wie der Ausgleich zwischen den unterschiedlich starken Sendern geregelt sein soll, wird Diskussionsgegenstand sein. Ich bin konsequent für Föderalismus und finde es abwegig, daß manche Länder vorschreiben wollen, was mit den kleinen Anstalten im Saarland oder Bremen geschieht. Wir müssen die finanziellen Beziehungen so regeln, daß es einigermaßen gerecht zugeht.
ORB-Intendant Rosenbauer hat ins Gespräch gebracht, sein Sender könnte mit Sachsen-Anhalt zusammengehen.
Der ORB wird mit seiner Umgebung über Kooperationen reden müssen. Daß der MDR an dieser Stelle zum Gespräch zur Verfügung steht, da bin ich sicher. Ich kann mir gut Kooperationsbeziehungen vorstellen. Das hängt aber zentral davon ab, wie alle öffentlich-rechtlichen Anstalten sich die medienpolitische Begleitung des Projekts Hauptstadt Berlin vorstellen. Dies muß geklärt sein, ehe man das Umfeld vernünftig organisieren kann.
Und dann?
Dann wird es nötig sein, Kooperationsverbünde abzuschließen. Wie weit die gehen, kann man dann unter den betroffenen Partnern ausmachen. Wir sind gerne bereit, mit dem ORB über die Frage einer gemeinsamen Zukunft ins Gespräch zu kommen – in welcher Art die auch immer gestaltet sein mag. Ich hoffe, daß diese Dinge möglichst bald in Gang kommen. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir alles bis zum Ende des Jahres geklärt bekommen. Denn Diskussionsstoff gibt es da reichlich.
Gehört für Sie auch der Begriff Fusion dazu?
Das kann man alles nicht ausschließen, aber an der Stelle muß man auch nichts übers Knie brechen. Daß Bayern in der Vergangenheit die Vereinigung von Anstalten verlangt hat, hat viel mehr Ärger als Nutzen gebracht. Vernünftige Kooperationen können genauso wirksam sein.
Genügt Ihnen denn überhaupt, was die ARD und auch das ZDF für die neuen Länder leisten?
Das hat sich verbessert, ist aber immer noch nicht so, wie ich mir das wünsche. Ich stelle immer wieder fest, daß das Verständnis für die Lebenswelt im Osten überhaupt nicht da ist. Wenn ARD und ZDF es nicht als Aufgabe sehen, die eine Denkwelt in die andere zu transportieren – übrigens auch von West nach Ost –, sondern es nur nach den Einschaltquoten geht, dann werden wir den letzten Schritt nicht schaffen. Wenn man nichts über die andere Lebenswelt bringt, wird auch nie ein Interesse auf der anderen Seite entstehen. An dieser Stelle muß man unabhängig von Einschaltquoten mehr investieren.
Warum sind in Ihrem Land so viele Menschen auf die DVU angesprungen? Liegt das auch daran, daß die Sender nicht ausreichend informiert haben?
Wir tun das alle nicht ausreichend, auch die Medien nicht, sonst hätte die DVU nicht solche Erfolge bekommen. Da ist nicht schnell genug reagiert worden. Die DVU hat ja drei Wochen vor der Wahl eine Werbekampagne mit Millionenbeträgen inszeniert. Die Reaktionen kamen erst nachträglich, etwa die Frage, welche Personen sind das. Ich hoffe, daß die Medien aus den Erfahrungen lernen und anderswo rechtzeitig berichten.
Wie sollten die Medien denn damit umgehen?
Diejenigen, die das als Protest zum Ausdruck gebracht haben oder in extremistische Gruppen abzudriften drohen, müssen einbezogen werden in die Kommunikation. Wir müßten mal deutlich machen, was eigentlich junge Leute bewegt, so zu wählen. Dann würden die Erwachsenen merken, daß sie sich mit der Jugend gar nicht mehr unterhalten. Das ist wichtiger als Parolen üblicher Art über Rechtsextremismus zu verbreiten. Die bringen nicht weiter. Entscheidend ist doch das Gefühl: Keiner redet mehr mit mir. Keiner will mich haben.
Was raten Sie für die Berichterstattung von Ost nach West?
Es ist nicht Aufgabe der Politik, Sendungen zu zensieren, gerade wenn sie einem nicht gefallen. Es gibt aber einen grundsätzlichen Punkt: Die ostdeutschen Fernsehanstalten müssen dafür sorgen, daß aus ihrem Sendebereich dann tatsächlich auch die ostdeutschen Stimmen zu Worte kommen. Ich finde es beispielsweise nicht angemessen, wenn Kommentare aus Dresden gesendet werden, die eigentlich aus München kommen sollten.
Interview: Georg Löwisch
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