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Am Grabmal des unbekannten Handwerkers. Ein Frontbericht Von Wiglaf Droste

Sie hämmern. Hier. Direkt neben meinem Kopf. Hämmer hämmer hämmer. Sie sind da. Sie leben.

Was hämmern sie? Sie hämmern die Inschrift in meinen Grabstein: Er wurde von der Banalität des Alltags zermalmt. Von uns. Den Handwerkern. Hähä.

Jetzt sägen sie. Mit einer Kreissäge. Nein: Kreischsäge heißt das Instrument. Während es kreischt, sprechen die Handwerker. Laut. Direkt unter meinem Fenster. Ich lebe parterre. Das ist ein Fehler.

Wenn der Handwerker spricht – und er spricht, o ja, er spricht! –, spricht er über Probleme des Automobilwesens. Das ist schade. Ich interessiere mich gar nicht für Autos. Auch nicht für Autozubehör. Oder für Autoreifen. Gar nicht. Aber das kümmert den Handwerker nicht. O nein.

Der Kolben ist sein Thema. Sein eines Thema. Das andere Thema ist der Kolben in seiner Hose. Und in wen er den hineinsteckt. In alles und jedes, wenn man ihm Glauben schenkt. Er ist super. Er ist GTI. Auch schwanzmäßig.

Er lügt aber, der Handwerker. Er hat gar keine Kolben in der Hose. Sondern eine Wurst. In seinem riechenden Schritt trägt der Handwerker eine Wurst. Eine Mettwurst. Oder eine Schlackwurst. Oder eine Fleischwurst. Von der schneidet er sich mit seinem Handwerkermesser dicke Scheiben ab, bestreicht sie mit mittelscharfem Senf und futtert sie auf. Schmatz schmatz. Der Handwerker. Faulig tönt's aus seinem Schritt: Bifi muß mit! Bifi muß mit!

Jetzt schabt der Handwerker. In einem Rohr. Das macht schnarrende, kratzende Geräusche. Als säße er in meinem Kopf und schabte an der Schädeldecke. Von innen. Mit einem Löffel.

Eine Mischmaschine hat er auch. Hier. Direkt unter meinem Fenster. Die stellt er morgens als erstes an. Klödder klödder. Schön laut. Damit alle wissen, daß er da ist. Morgens um sieben. Damit man beruhigt ist und weiß: Er hat Arbeit, der Handwerker. Er kann auch eine Schüppe so laut in den Hof werfen, daß alle aufwachen. Keiner darf schlafen, wenn der Handwerker wacht. Alle müssen ihn hören. Schließlich hat er seine sinnlose Existenz nicht umsonst gewählt. Er hat ja uns. Nein, nicht uns: Er hat mich.

Jetzt bohrt der Handwerker. Er bohrt jaulend in eine Wand hinein. Damit die Wand ein Loch hat. Das kann er dann später wieder zumachen, das Loch. Der Handwerker. Mit Speis. Den schmeißt er mit der Kelle in das Loch, den Speis. Flatsch. Aber erst später. Erst muß er das Wasser abstellen. Und dann weggehen. Und erst in drei Tagen wiederkommen. Oder gar nicht. Dann muß man ihn anrufen, den Handwerker. Er ist dann nicht da. Aber seine Frau. Eine mittelschwere Frau. Mein Mann ist nicht da, sagt die Frau. Sie lügt. Ich weiß, daß sie lügt. Sie weiß, daß ich weiß, daß sie lügt. Aber sie lügt. Sie ist patent, die Frau.

Es steht etwas in der Zeitung. Über den Handwerker. Es geht so: „Rätselhaftes Handwerkersterben. Handwerker grausam ermordet. Das Markenzeichen des Killers. Er tötet die Handwerker mit ihrem eigenen Werkzeug. Ganz langsam.“

Das bin ich. Noch nicht, aber bald. Wenn ich fertig bin und alle Handwerker erlöst sind, errichte ich das Grabmal des unbekannten Handwerkers. Eins kann ich versprechen: Es wird keine Klanginstallation.

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