: Gelbe Karte für Adidas
Dissident will Adidas wegen Zwangsarbeit in China verklagen. Konzern fühlt sich unschuldig, kündigt aber Verträge auf ■ Von Sven Hansen
Der chinesische Dissident Bao Ge will die Filale des deutschen Sportartikelherstellers Adidas-Salomon AG in den USA wegen der Produktion von Fußbällen in chinesischen Arbeitslagern verklagen. Dies wollte der Dissident noch gestern in Washington auf einer Pressekonferenz ankündigen. Der 34jährige wirft dem deutschen Lieferanten des offiziellen Fifa- World-Cup-98-Balls vor, für das Leiden von Zwangsarbeitern im Shanghaier Arbeitslager Nr. 1 mitverantwortlich zu sein. Bao selbst war dort für drei Jahre inhaftiert, weil er versucht hatte, eine Menschenrechtsgruppe zu gründen. Er mußte dort täglich 15 Stunden Zwangsarbeit verrichten, um nach eigenen Aussagen Fußbälle für adidas und andere Firman zu produzieren (siehe Text unten). Jetzt will Bao von dem deutschen Sportartikelkonzern Schadensersatz fordern.
Adidas weist die Vorwürfe zurück. „Wir können nicht ausschließen, daß Herr Bao im Arbeitslager Fußbälle produzierte, aber es waren mit Sicherheit keine Adidas- Bälle“, so Firmensprecher Peter Csanadi zur taz. Am vergangenen Wochenende hatte die Firma aber erstmals eingeräumt, daß sie eine Untersuchung eingeleitet hat. Und vorgestern kündigte Adidas die Verträge mit Lizenznehmern, die in China Fußbälle herstellen lassen. „Wir gehen nach wie vor davon aus, daß es sich um gefälschte Bälle handelt“, so Csanadi. Die Kündigung des Vertrags sei im Rahmen einer Umstrukturierung ohnehin geplant gewesen. Der Adidas-Lizenznehmer hätte in der dortigen Region laut den Verträgen nicht produzieren lassen dürfen. Bisherige Untersuchungen hätten keine Gefangenenarbeit feststellen können.
Vergangene Woche hatte ein Manager der Dazhong-Landmaschinenfabrik in der nördlich von Shanghai gelegenen Provinz Jiangsu gegenüber dem Wall Street Journal eingeräumt, daß sein Unternehmen Bälle in dem von Bao genannten Shanghaier Arbeitslager Nr. 1 für Shanghai Union Ball produziere, Chinas größten Ballhersteller. Welche Sportartikelmarken die Bälle trugen, wollte der Sprecher jedoch nicht sagen. Damit ist die Verbindung zu Adidas nicht bewiesen. Der deutsche Sportkonzern räumt aber ein, daß Shanghai Union Ball vom japanischen Adidas-Lizenznehmer Molten mit der Produktion von Bällen beauftragt worden war, was laut Adidas-Sprecher Csanadi nicht abgesprochen war. Adidas läßt rund 450.000 Fußbälle im Jahr in China produzieren, knapp ein Zehntel der diesjährigen Gesamtproduktion des Drei-Streifen- Konzerns. Am Dienstag wurde der Vertrag mit Molten zum Jahresende gekündigt. Jetzt wolle Adidas „die gesamte Wertschöpfungskette direkt kontrollieren".
Menschenrechtsgruppen werfen Sportartikel-, Spielzeug- und Bekleidungsherstellern schon lange vor, durch die Verlagerung der Produktion an eine Kette von Subunternehmen ihre Verantwortung gegenüber den Arbeitskräften bewußt zu vernachlässigen und dabei gegen soziale Mindeststandards zu verstoßen. Das System von Zulieferern und Subunternehmen macht es zudem schwierig für Außenstehende, den Produktionsablauf und die Verantwortlichkeiten zu überblicken. Um Kosten zu senken, nähmen die Firmen es „billigend in Kauf“, daß in Folge der Auftragsweitergabe an Subunternehmen die Arbeitnehmerrechte verletzt weren, so Ingeborg Wick von der Kampagne für Saubere Kleidung. Diese setzt sich für weltweite soziale Mindeststandards in der Textilproduktion ein.
Laut Wick ist die Nutzung von Zwangsarbeit in Chinas Gefangenenlagern, die sich internationaler Kontrolle entziehen, nur die Spitze des Eisbergs. Auch in vielen gewöhnlichen Fabriken in Asien und Osteuropa herrschten katastrophale Arbeitsbedingungen. Die Kampagne hat zur Fußball-WM eine Postkartenaktion gestartet, um Adidas aufzufordern, für bessere Arbeitsbedingungen bei seinen Subunternehmen zu sorgen.
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