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Fitneßmöbel für graue Zellen

„Cyber-Office“ heißt ein seltener Versuch der innovationsfeindlichen Büromöbelbranche, über das Arbeitsumfeld der Zukunft nachzudenken  ■ Von Hans Wolfgang Hoffmann

Kaum ein Arbeitsplatz verändert sich gegenwärtig so radikal wie das Büro. Neue Herausforderungen wie Mobilität, Technologie und Kommunikation verlangen eine andere Gestaltung des Umfeldes.

Doch kaum eine Branche gibt sich so innovationsfeindlich wie die Büromöbelhersteller. In ihren Katalogen wird ein Abonnementenwerber, der im Passantenstrom eines Geschäftes seine Kunden finden muß, kaum fündig. Was also tut ein Makler, der im Angesicht seiner Immobilien einen Vertrag aufsetzen muß? Wohl oder übel schließt er sein Laptop an die Autobatterie an und macht die Haube seines Wagens zur Geschäftsgrundlage.

Während sich die Datenverarbeitung rasant weiterentwickelt und immer individuellere Systemlösungen anbietet, bleibt das Büro, in dem sie eingesetzt wird, das, was es schon immer war: das traditionelle Arrangement aus Tisch, Stuhl und Aktenständer. Das Ergebnis ist die Inkompatibilität von Technik und Möbel: Kabelsalat in den Arbeitsräumen oder Bildschirme, die wie Meteoriten auf den Schreibtisch gefallen zu sein scheinen.

Auch Michael Englisch entwarf als Chefdesigner des Pohlheimer Bürobauers Voko solche Möbel. Auf der vergangenen Kölner Fachmesse Orgatec stellte er dann jedoch eine Studie für das Büro der Zukunft vor. Gemeinsam mit einem Computerhersteller entwickelte Englisch das „Cyber-Office“: Arbeitsplatz und EDV verschmelzen dabei formal und funktional zu einer Einheit.

Alle Technik wird an einem stehenden, übermannshohen Stahlring montiert. Nicht mehr per Stift steuert der Büroangestellte seine Geschäfte, sondern per Trackball, Joystick und Tastatur. Sie sind zu einem cockpitartigen Kommandopult zusammengefaßt. Die Arbeitsergebnisse werden über das Haupt des Kopfarbeiters auf einen 1,90 Meter breiten Schirm projiziert. Das Ganze erinnert eher an Captain Kirks Gefechtsstand als an einen traditionellen Büroarbeitsplatz.

Zugleich erscheint es als Fitneßmöbel für die grauen Zellen. Da Bürotätigkeit in Zukunft in erster Linie aus Denkleistung besteht, die nicht an die Schwerkraft gebunden ist, wird die gesundheitlich bedenkliche Sitzposition aufgegeben. Statt dessen nimmt der Telearbeiter in einem Liegestuhl Platz. Haltungsschäden gehören der Vergangenheit an.

Wer seine Dokumente unterzeichnen will, muß die vom Computer gespeicherte Signatur einsetzen. Eine Ablage, auf der man seine Unterschrift leisten könnte, fehlt. Das Büro der Zukunft wird wohl nicht nur nach Meinung von Michael Englisch ohne Papier auskommen müssen.

Nicht nur diese Annahme zeigt, daß das Cyber-Office auf eine noch sehr ferne Zukunft ausgelegt ist. Zudem antwortet es nur auf eine der eingangs genannten drei Herausforderungen, denen sich Büroarbeit stellen muß. Das Cyber-Office ist für einen Einzeltäter optimiert. Maximal zwei Personen können den Kommandostand gleichzeitig bedienen. Kommunikation kann sich über dieses Gerät kaum entfalten. Für unterwegs wird man ohnehin handlichere Lösungen finden müssen. Doch selbst ein traditionelles Büroquartier stellt das im Durchmesser rund vier Meter messende Gebilde vor Raumprobleme.

So arbeitet Michael Englisch gegenwärtig an einer praktikableren Lösung, wie die einzelnen Elemente seines Cyber-Office Eingang in den Büroalltag eröffnen sollen. Das neue System soll auf der kommenden Orgatec im Herbst dieses Jahres vorgestellt werden. Man darf gespannt sein.

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