: Die Hauptsache ist: Handeln gegen rechts
■ Diskussion über Einwanderungsstadt Berlin belebte Bürgerinitiative gegen rechte Gewalt
Hat sich da eine Bürgerinitiative gegründet? Gibt es demnächst wieder Lichterketten? Oder Zeitungsannoncen gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus? So recht wissen das die Beteiligten wahrscheinlich selbst noch nicht.
Ein illustrer Kreis hatte sich am Donnerstag abend in der Akademischen Buchhandlung am Gendarmenmarkt eingefunden: Professoren und Politiker, Soziologen und Stadtentwickler. Auf Einladung der wiederbelebten „Werkstatt Berlin“ – einer Initiative, die an der sozialen Modernisierung Berlins mitwirken will – wollten sie über Berlin als Einwanderungsstadt diskutieren. Heraus kam der Wunsch, gegen rechtsextremistisch motivierte Gewalt etwas zu tun.
Die umstrittenen Aussagen über Ausländer von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) waren zwar nicht Anlaß der Debatte gewesen, bestimmten sie aber weitgehend. Solch „dumpfen nationalistischen Scheiß“ habe er von einem politischen Repräsentanten nicht erwartet, empörte sich Hartmut Häußermann, Professor für Stadtsoziologie an der Humboldt- Uni. Damit legitimiere Schönbohm indirekt die Gewalttaten. Die grüne Abgeordnete Renate Künast sprach von einem „innenpolitischen Krieg“. Einig war sich die Diskussionsrunde darin, daß Schönbohms Äußerungen nicht nationalistisch, sondern völkisch gewesen seien. Mit dem harmlosen Nationalismus anderer Länder habe das nichts mehr zu tun.
Der Innensenator hatte mit einem Interview in der B.Z. für Furore gesorgt, in dem er von „Ghettos“ sprach, von „Quartieren in der Stadt, die so sind, daß man sagen kann: Dort befindet man sich nicht in Deutschland.“ Das Unbehagen, aber auch die Ratlosigkeit angesichts dieser politischen und sozialen Entwicklung war an dem Abend deutlich zu spüren. Die Idee, aktiv zu werden, fand daher bei allen Zustimmung. „Wir müssen das Fähnchen hochhalten“, sagte die grüne Abgeordnete Renate Künast. Sie frage sich manchmal, ob sich Deutschland auf ähnliche Verhältnisse wie 1933, dem Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten, zubewege. Dieses Gefühl formulierte auch der Staatssekretär für Stadtentwicklung in der Umweltverwaltung, Hans Stimmann. Als Alt-68er wolle er sich nicht eines Tages fragen lassen müssen: Was hast du damals getan?
Von Annoncen gegen Schönbohm, Unterschriftenlisten, einer Kampagne bis zur Erarbeitung eines Konzeptes und einer Botschaft reichten schließlich die Vorschläge. Die Beteiligten einigten sich auf ein weiteres Treffen. Erst in einigen Wochen wird sich herausstellen, ob der Elan anhält.
Interessenten können sich an die Werkstatt Berlin wenden. Tel.: 8837572. Jutta Wagemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen