: „Ich würde Parteien abschaffen“
■ André Frost: ein Bundestagskandidat für „Chance 2000“ in Hamburg-Mitte
taz: Scheitern als Chance?
André Frost: Ja, das ist unser Slogan. Erst war ich von der Aktion nicht besonders angetan, weil der Name nicht griffig ist.
Trotzdem willst Du bei der Bundestagswahl Direktkandidat von „Chance 2000“ in Hamburg-Mitte werden. Wieso?
Das war ein spontaner Entschluß. Eine Freundin hat mich vergangene Woche zu einer Informationsveranstaltung von „Chance 2000“ mitgenommen, wo der ganze Vorstand war. Da habe ich mir gesagt, okay, ich mach's.
Das verstehe ich nicht.
Es geht darum, den Ernst der Lage klarzumachen, die Methoden der Politiker zu übernehmen und lächerlich zu machen. Ich rechne allerdings nicht mit allzu viel Resonanz bei dieser Bundestagswahl.
Und wenn Du doch gewählt wirst?
Dann würde ich dazu stehen. Ich bin mir der Konsequenzen durchaus bewußt.
Was ist Dein Wahlprogramm?
Ich werde eins schreiben. Ich werde mich um die Jugend in jedem von uns kümmern. Ich bin bei den Pfadfindern, seit ich neun bin. Jugendliche haben viel zu wenig Freiräume. Deswegen bin ich dafür, daß sie ein aktives Wahlrecht bekommen. Ansonsten wünsche ich mir, daß ich mit jedem, der mich wählen will, einfach mal rede und ihn nach seinem wichtigsten Anliegen frage, wofür ich mich als Abgeordneter von Mitte im Bundestag einsetzen soll. Würde Dir da was einfallen?
Die Überdeckelung der Hafenstraße.
Das ist ein gutes Anliegen, aber wohl eher ein hamburginternes Problem.
Du wirst Dich vor Wünschen kaum retten können.
Wer länger als zehn Minuten mit mir diskutieren will, muß mir einen ausgeben ... (lacht)
... und dann wirst Du die Forderungen doch nicht durchsetzen können. Warum gehst Du nicht in eine einflußreichere Partei?
Ich würde Parteien abschaffen. Sieh mal, der fähigste Mann fürs Amt des Bundeskanzlers ist Joschka Fischer.
Der ist auch in einer Partei.
Eben. In einer, mit der er nie die Chance hat, Kanzler zu werden. Das ist doch traurig.
Also?
Sollte es Direktkandidaten geben, die für alle in ihrem Wahlkreis ansprechbar sind. Viel zu viele Politiker haben Angst vor ihren Mitmenschen.
Was sagen eigentlich Deine Mitmenschen zu Deiner Kandidatur?
Ich hab's meinem WG-Genossen erzählt. Der findet's witzig, aber er ist Nicht-Wähler.
Dann wird er Dich also nicht unterstützen?
Mein Ziel ist erreicht, wenn ich auf dem Wahlzettel stehe und die Leute sich fragen: Wie ist der denn jetzt auf die Liste gekommen?
Fragen: Heike Haarhoff
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