: Der Sicherheitsdienst hat ihre Post gelesen
■ Zurück aus Togo: Britta Menke berichtet von den Tagen nach der Präsidentschaftswahl / „Vor den Wahlen haben einige Verhaftungen stattgefunden“ / Die Sozialarbeiterin arbeitete sieben Jahre für die Norddeutsche Mission
Das Bremer Ehepaar Britta und Hannes Menke ist nach siebenjähriger Arbeit für die Norddeutsche Mission in Togo jetzt nach Bremen zurückgekehrt. Vor ihrer Abreise aus Togo erlebten beide die ersten Tage nach den Präsidentschaftswahlen, deren Sieg der dienstälteste afrikanische Diktator, Gnassingbé Eyadéma, mit einem international angezweifelten Ergebnis von rund 52 Prozent für sich beansprucht. In Bremen droht unterdessen rund 80 Flüchtlingen aus Togo die Ausweisung in die Heimat. Was dort derzeit los ist, fragte die taz Britta Menke. Sie selbst und ihre Familie waren 1990 kurzfristig aus Togo ausgewiesen worden, nachdem der dortige Sicherheitsdienst einen privaten Brief in die Hände bekam, in dem die Familie Togo als Diktatur bezeichnet hatte.
taz: Was meinten Sie, als sie Togo eine „Diktatur“ nannten?
Britta Menke: Alles, was man klassischerweise darunter versteht. Daß damals niemand wagte, öffentlich über Politik zu sprechen; die Anwesenheit von Spitzeln im ganzen Land; daß eine kleine Clique, die schon lange an der Macht war, politische Entscheidungen traf. Aber nach 1992 hat sich einiges geändert, da gab es den demokratischen Aufbruch und damit breite politische Diskussionen. Menschenrechtsverletzungen wurden aufgedeckt, politische Gefangene freigelassen. Liberalisierung war sogar im staatlichen Fernsehen spürbar, wurde aber schnell wieder zurückgeschraubt.
In Bremen stehen rund 80 Togoer, deren Asylanträge abgelehnt wurden, vor der Ausweisung. Sie hatten um eine Duldung bis nach den Wahlen gebeten, weil sie als Oppositionelle Übergriffe des Regimes Eyadémas fürchteten. Gab es Übergriffe?
Vor den Wahlen haben einige Verhaftungen stattgefunden. In Atakpame, wo wir lebten, wurden zwei Leute verhaftet, ein Angehöriger der größten politischen Oppositionspartei, der CAR, und ein weiterer von der oppositionellen UFC.
Wie haben Sie davon erfahren?
Aus Gesprächen mit Leuten aus der Stadt. Auch in anderen Gegenden gab es präventive Festnahmen und vor allem im Norden, der als Hochburg Eyadémas gilt, wurden Leute angegriffen, die Wahlveranstaltungen der Opposition organisiert haben.
Deutsche Richter sagen, daß man über diese Vorfälle in togoischen Zeitungen lesen kann – und folgern daraus, daß es Pressefreiheit und eine Opposition gibt.
Ja, die Pressefreiheit ist als eine der wenigen Errungenschaften vom demokratischen Aufbruch geblieben, aber die Presse ist starker Repression ausgesetzt. Wenn unliebsame Artikel veröffentlicht werden, kommt es schon mal vor, daß Zeitungsjungen auf der Straße von Sicherheitskräften verprügelt werden.
Sind sie selbst Zeugin solcher Vorfälle geworden?
Mir haben Augenzeugen davon berichtet. Ich selbst kenne Journalisten, die aus Angst vor Verhaftung nicht zu Hause schlafen. Aber es ist auch möglich, daß eine kritische Zeitung eine ganze Weile erscheint – und daß das Regime erst später plötzlich zuschlägt. Häufiger Vorwand ist die Beleidigung des Präsidenten und staatlicher Organe.
Wie haben Sie die Tage nach der Wahl in Togo erlebt?
Es herrschte sehr angespannte Stimmung. Am Tag nach den Wahlen schloß die Gendarmerie in Atakpame den Markt und schickte alle nach Hause. Die Leute rechneten damit, daß die Wahlergebnisse an diesem Tag verkündet würden – und befürchteten, daß das Militär eingreifen könnte, um Eyadéma die Macht zu retten. Die Militärs blieben den Tag über an verschiedenen Stellen postiert. In Lomé sah es aber schon anders aus. Als der Innenminister am 24. Juni Eyadema mit 52,13 Prozent als „Wahlsieger“ bekanntgab, haben wir gesehen, wie Jugendliche in einem Viertel, das insgesamt als Hochburg der Opposition gilt, die Hauptstraßen verbarrikadierten.
Wie reagierten die Menschen insgesamt?
Sehr verbittert. Zumindest im Süden des Landes gab es in vielen Wahllokalen doch eine gewisse Transparenz. Man weiß, daß Eyadéma in Atakpame nur in einem von über zehn Wahlbezirken gewonnen hat. Ansonsten war die UFC, also die Partei von Gilchrist Olympio, haushoch überlegen.
Das Militär gilt als terroristische Stütze Eyadémas. Haben Sie Militärübergriffe im näheren Umfeld erlebt?
Nein, bei uns direkt nicht.
In der Türkei und in anderen Ländern versucht die Opposition, gefährdete Heimkehrer zu schützen. Warum klappt das in Togo nicht?
Es gibt kaum funktionierende Opposition im Land und Rückkehrer versuchen deshalb, sich möglichst unauffällig zu machen.
Was erwarten Sie für Togo in der nächsten Zeit?
Das Problem ist, daß die Mehrheit der Togoer diese Regierung nicht mehr will, die sich eigentlich nur noch mit Hilfe der französischen Außenpolitik an der Macht hält. Togo sucht derzeit auch verstärkt Unterstützung in Korea, China oder im arabischen Raum. Die Menschen werden sich dem Regime verweigern, aber sie haben wenig Handlungsperspektive.
Was heißt das alles für Flüchtlinge, die zurückkehren müssen?
Ich glaube, daß die aktuelle Lage jederzeit in starke Repression umschlagen kann. Wenn Eyadéma sich tatsächlich an der Macht halten sollte, gäbe es die Möglichkeit, daß man ihn international so unter Druck setzt, daß er sich öffnen muß. Aber die negative Variante wäre, daß er massiven Druck gegen alles ausübt, was Opposition ist. Als wir das Land am vergangenen Donnerstag verließen, erfuhren wir, daß Gendarmen gerade das UFC-Büro in Lomé angegriffen hatten, und daß mehrere Personen verletzt und ein Mensch erschossen wurden. In diese Situation sollte man niemanden abschieben.
Fragen: Eva Rhode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen